19.4.2020

Zwei Flaschen Trollinger

Wir trinken vom Weingut Aldinger den Trollinger Sine aus 2018 und vom Weingut Hirth den Quod Erat Demonstrandum aus 2014.

Wenn man sich durch Württemberg trinkt, kommt man früher oder später an Trollinger nicht vorbei. Dünne, rote Plörre, aus Gläsern mit grünem Henkel. Viertele schlotzen. Meist mit Lemberger verschnitten, was dann als Trollinger mit Lemberger auf keinem Weinfest und keiner Hockete fehlen darf. Oft ein Grund Bier zu trinken. Aber nicht nur in Württemberg, wo Trollinger die meistangebaute Rebsorte ist, wird er getrunken, nein, auch in Südtirol. Dort kommt die Traube unter dem Namen Vernatsch ins Glas. Und wenn er dort dann in großen Steinkrügen, fruchtig, saftig, frisch in der Mitte des Tisches steht und ganz wunderbar zum Essen passt, dann kommt Lust auf auch in Württemberg nach ordentlichem Trollinger zu suchen. Heute starten wir diese Suche mit dem Trollinger Sine vom Weingut Aldinger, einem Trollinger ohne Entrappen, ohne Schwefeln, ohne Filtrieren, ohne Reinzuchthefen und ohne Druckerschwärze auf dem Etikett. Sine eben und aus dem Jahr 2018. Außerdem im Glas ist der Quod Erat Demonstrandum vom Weingut Hirth aus 2014. Etwas gereifter und hoffentlich ein erster Beweis, dass die Hoffnung auf ordentliche Weine aus Trollinger nicht vergebens war. Bei beiden Weinen wird im Weinberg stark im Ertrag reduziert um möglichst viel Geschmack auf die dann übrig gebliebenen Trauben zu konzentrieren.

Direkt nach dem Einschenken duftet der Sine nach Kirschbonbons mit Nelke, jung und frisch. Da ist etwas Holz und mit Luft kommt Süßholz dazu. Irgendwie erinnert uns der Geruch an Kräuterlikör oder Hustensaft, je nach Konditionierung. Da ist Früchtetee und die Kirsche bleibt dabei, die Kirschbonbons verschwinden aber. Hinter all dem liegt eine Note Eukalyptus. Im Mund ist der Wein wunderschön weich und hat eine intensive Frucht, gepaart mit Gerbstoff hinten raus. Das macht erstaunlich viel Freude.

Am zweiten Tag, zu spät aus dem Kühlschrank genommen und deshalb erstmal zu kalt, kommt etwas Muffiges mit, feuchtes Unterholz, dazu Kräuter und weiter die Kirsche. Am Gaumen ist der Trollinger richtig frisch, leider ist der Gerbstoff nicht mehr so gut eingebunden und hat jetzt eine Textur, die ich öfter mal in Weinen mit wenig Eingriff im Keller hatte und nicht wirklich mag. Irgendwie ruppig bleibt es hinten auf der Zunge zurück. Es ist schwer zu beschreiben und überhaupt kein Geschmack, sondern das Gefühl beim Trinken, und kommt, wenn es denn zum Vorschein kommt, auch fast immer erst nach der ersten Nacht im Kühlschrank. Fast so als würde sich der Gerbstoff vom restlichen Wein ein bisschen abtrennen. Der Muffton zumindest verschwindet glücklicherweise sehr schnell wieder und lässt der kräuterigen Kirschfrucht den Raum, den sie braucht. Wenn nur der kratzende Gerbstoff nicht wäre. So hätte ich das lieber am ersten Tag leer getrunken, weil da war der Wein wunderschön. Dementsprechend war auch der Füllstand der Flasche am zweiten Tag und so muss die Erkenntnis, ob sich der Gerbstoff wieder fängt, leider auf eine spätere Flasche verschoben werden.

Der Trollinger von Hirth startet viel reifer in der Nase, er hat schließlich auch 5 Jahre mehr Zeit gehabt. Aus dem Glas riecht es nach Heidelbeermarmelade, eingekochter Brombeere und Waldfrüchten. Dabei bleibt die Frucht klar und sauber. Man merkt Holz auf der Zunge, es ist aber komplett eingebunden. Im Mund weniger Frucht, die samtige Struktur macht hier den Reiz aus und nach den ersten Schlucken kommt in der Nase eine Spur Rauch dazu. Der Wein wirkt im direkten Vergleich dichter und etwas komplexer aber auch weniger trinkfreudig.

Am zweiten Tag riecht er nach mit viel Schwarzwälder Kirsch getränktem Schokobiskuitboden. Im Mund ist roter Früchtetee und auch die Kirsche. Der Wein hat immer noch eine schöne Frische und Saftigkeit und ist so ziemlich auf dem Punkt.

Beide Flaschen machen erstaunlich viel Spaß. Klar sind das keine Komplexitätsmonster, aber der Sine am ersten und der q.e.d insbesondere am zweiten Tag sind eine Freude zu trinken. Die Weine haben nicht besonders viel Alkohol, genug Spannung um nicht langweilig zu sein, passen zum Essen (es gab Pizza), passen danach und sicher auch davor. Das geht auf dem Balkon oder vor der Heizung, Sommer und Winter und da war viel mehr Wein im Glas als mir viele Weinfeste in der schwäbischen Provinz bisher vermittelt haben. Ich glaube, ich brauche öfter mal einen (guten) Trollinger. Und ein Becherglas mit grünem Henkel.

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