17.5.2020

Karl Haidle - Stettener Pulvermächer

Wir trinken vom Weingut Karl Haidle aus Stetten im Remstal zwei Flaschen Riesling GG vom Stettener Pulvermächer aus den Jahren 2016 und 2017.

Man kommt in Württemberg nur schwer am Remstal vorbei. Auch diese Woche kommen die Weine von dort. Wir trinken vom Weingut Karl Haidle zwei Rieslinge aus dem Stettener Pulvermächer der Jahrgänge 2016 und 2017. Nur einen Steinwurf von Beurer entfernt, deren Riesling aus der gleichen Lage wir schon probiert haben, sitzt das Weingut mitten in Stetten. Rund um die Y-Burg, die mitten in den Reben steht, wachsen die Trauben für das Große Gewächs. Moritz Haidle, der seit 2014 den Weinausbau verantwortet, hat den Anbau auf Bio umgestellt und der Wein aus 2017 trägt dann auch die Zertifizierung auf dem Etikett. Der Riesling wächst auf Schilf- und Kieselsandstein und wird dann im großen Holzfass vergoren. Die beiden Flaschen werden wieder über drei Tage verkostet, wobei der erste Tag nur ein kleiner Probeschluck ist, bevor es in den Kühlschrank geht.

Der 2016er startet mit eher dunklen Aromen. Sehr voll in der Nase, etwas Gewürzhonig, gelbe Frucht, im Hintergrund ein bisschen Nagellackentferner. Ansonsten sehr kompakt, im Mund knackig, saftig, würzig und hinten raus fast ein bisschen Süße, die aber gut passt. Vielversprechender Start.

Über Nacht macht das Aroma richtig auf und alles, was sich am Vorabend angedeutet hat ist stärker geworden. Gelbe, reife, teilweise exotische Frucht, Mirabellen, Ananas, Pfirsich, gemischt mit etwas Honig, tief, komplex, ganz leicht angereift, und dann die Säure auf der Zunge, auf dem Punkt, fokussiert, genau da wo sie hin soll. Das bisschen Aceton, dazu etwas Thymian im Hintergrund, leichte, buttrige Cremigkeit, extrem saftig und voller mineralischer Würze. Da ist über Nacht keine große Verwandlung passiert, es ist mehr so, wie wenn man mit der Kamera nochmal richtig fokussiert und das Bild dann knackescharf im Kasten ist. Das ist toller Wein, der über den Abend immer neue Facetten zeigt und alles hat, was ich mir an diesem Abend von einer Flasche Riesling wünsche. Eigentlich schon unverantwortlich. Wie soll man da über drei Tage probieren. Aber wir sind stark und schaffen das.

Glücklicherweise schließt sich der dritte Abend dann direkt da an, wo der letzte aufgehört hat. So, wie das jetzt ist, ist das richtig gut.

Dagegen ist der 2017er geradezu leise. Viel heller in der Frucht, schon ab dem ersten Versucherle. Viel kühler, mineralischer, aber auch klarer in der Frucht. Mirabellen frisch vom Baum, florale Noten. Im Mund saftig, klar und lang. Feingliedriger, eleganter.

Im Gegensatz zum Vorjahrgang bleibt der Wein auch nach der Nacht im Kühlschrank auf der zurückhaltenden Seite. Viel leiser liegt er da im Glas, aber auch viel feiner, differenzierter. Leichte Phenolik, Steinobst, etwas Stein. Da kommt zarte Struktur, vor allem an den Zungenrändern, dazu etwas Quitte, ein paar Beeren und ein bisschen Flint. Hier ist Aufmerksamkeit gefragt, sonst überriecht man einfach, was geboten wird. Hinten raus auf der Zunge kommt dann doch noch sowas wie Zug und der Geschmack bleibt dann auch ewig liegen.

Hier bringt die Nacht zum dritten Abend nochmal einen merklichen Schub. Mehr Würze, prägnantere Frucht, Apfelschalen, mehr Mirabelle, und auch mehr Mineralik. Das ändert allerdings nichts daran, dass der Wein sich hier im direkten Nebeneinander mit dem Vorjahrgang schwer tut. Dabei ist er nicht schlechter, vielleicht sogar eigentlich der interessantere Wein, bei dem es mehr zu entdecken gibt, wenn man denn danach sucht. Aber gegen das, was 2016 gerade am Gaumen veranstaltet gehen die leisen, feineren Töne des 17ers leider ein bisschen unter. Das müsste man für die richtige Würdigung nochmal alleine verkosten. Was von dieser Runde bleibt ist ein richtiges Bäm aus 2016.

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