28.6.2020

Zwei Flaschen Weiser-Künstler

Wir trinken zwei Rieslinge von der Mosel vom Weingut Weiser-Künstler: Einen Steffensberg und einen Gaispfad, jeweils aus 2015

Die erste richtige Sommerwoche hat zugeschlagen und während man so im eigenen Schweiß vor sich hin köchelt ist Riesling mit moderatem Alkohol eine gute Wahl. Erst seit 2005 machen Konstantin Weiser und Alexandra Künstler an der Mosel Wein. Es gibt sicher einfachere Gebiete um ökologisch Wein anzubauen, als die steilen Hänge im Moseltal. Die Affinität zum Steilhang geht dabei so weit, dass sie als Teil des klitzekleinen Rings Steillagenrettung betreiben um die Kulturlandschaft an der Mosel zu erhalten. Die Weine, die wir im Glas haben kommen aus dem Enkircher Steffensberg und dem Trabener Gaispfad. Beide Flaschen sind Jahrgang 2015. Bei nur 11 Prozent Alkohol im Steffensberg und 12 im Gaispfad müsste das trotz sommerlicher Temperaturen angenehm zu trinken sein.

Wir starten mit dem Steffensberg. Leichte Reife in der Nase, gelbe Frucht, sehr reife Mirabellen aber eher zurückhaltend. Die fruchtige Säure, mehr von grünen Äpfeln als von Zitronen, gibt Zug, trotzdem cremig und eher kühl. Auf der Zunge reifes Kernobst und die gerbstoffige Struktur von Apfelschalen ohne aber eine Apfelschalennaturweinnote zu haben. Der Wein wird mit jedem Schluck saftiger. Sehr elegant. Dann kommt mit Luft Buttertoffee gemischt mit frischen Früchten in die Nase. Immer fokussierter, geradliniger und präziser in der Säure. Die Mischung aus Butterscotch, frischen Mirabellen und ein bisschen Moselmineralik ist so auf dem Punkt, dass ich wieder und wieder die Nase ins Glas halte. Das bleibt den ganzen Abend über so. Die Mineralik kommt auch an den Gaumen, die Frucht geht langsam vom Apfel in Richtung Zitrus. Die Frische und die leichte Toffeenote machen richtig Spaß.

Über Nacht wird aus dem Toffee Hefegebäck, die Säure wird knackiger, es kommt deutlich mehr Struktur und Würze in den Wein und auch mehr Mineralik. Da ist jetzt richtig Zug drin.

Der Gaispfad beginnt sein Leben im Glas als leichter Stinker. Insgesamt aber noch zurückhaltender erstmal als der Steffensberg. Im Mund ist auch Säure, die wirkt aber viel reifer. Der ganze Wein wirkt reifer und deutlich älter als der Steffensberg. Die Säure auf der Zunge hilft zwar, aber so richtig loslegen will er nicht. Mit jedem Schwenken wird der Wein ein bisschen mineralischer, man riecht etwas Jod, reifen Pfirsich und ätherische Öle. Eine Menge Eukalyptus kommt einem da jetzt aus dem Glas entgegen. Die Note verschwindet auch im Laufe des Abends nicht wieder. Es kommt ein bisschen Menthol dazu, die Reifenoten bleiben. Eine Nacht im Kühlschrank bringt hier keine Veränderung.

Im direkten Vergleich mit dem Steffensberg glaube ich, dass wir ziemliches Pech mit der Flasche Gaispfad hatten. Der Wein wirkt wie ein alter Riesling, der sich noch Frische bewahrt hat, während der Steffensberg im Glas ein junger Wein ist, der gerade anfängt zu reifen und richtig aufdreht. Niemals hätte ich beide in den gleichen Jahrgang gesteckt. Vermutlich Pech mit der Korkenvariation, äußerlich sind beide Korken aber völlig in Ordnung und ich sehe auch keinen Unterschied zwischen ihnen. Leider liegt auch keine zweite Flasche Gaispfad im Keller. Der Wein ist nicht kaputt oder untrinkbar, nur so im direkten Vergleich drängt es sich geradezu auf, dass diese Flasche ganz weit hinter ihrem Potential zurückbleibt. Der Steffensberg ist so wie er gerade da steht nämlich ein richtiger Knaller.

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