Kurzurlaub in Ulm
Wir waren drei Tage in Ulm und haben die Freiheit Vinothek und das Restaurant Bi:Braud besucht.
Irgendwohin fahren wollten wir dann dieses Jahr doch noch. Es sollte nicht zu weit weg liegen, um die Zeit in der Bahn zu minimieren, und trotzdem kulinarisch spannend sein, ohne einer der momentanen innerdeutschen Urlaubshotspots wie etwa der Bodensee zu sein. Die Wahl ist dann auf Ulm gefallen, da wir schon länger im Bi:Braud vorbei schauen wollten. Die Anreise hat dann tatsächlich wie geplant funktioniert, da mittags um 2 so wenig Leute in der Bahn unterwegs waren, dass man zwischen sich und den Leuten, die offensichtlich nicht in der Lage sind Mund-Nasen-Bedeckungen auch Mund und Nase bedecken zu lassen, genug Abstand bringen konnte. In der S-Bahn waren wir sogar allein im Abteil. Perfekt. Noch besser war, dass das Wetter so gut mitgemacht hat, dass wir fast immer draußen sitzen konnten oder drinnen genug Platz war um auch hier genug Abstand zu haben.
Nach der mittäglichen Anreise und dem anschließenden Einchecken im Hotel ging es mehr oder weniger direkt in die Freiheit Vinothek. Ganz im Sinne von kein Bier vor Vier war um 16:05 Uhr der ideale Zeitpunkt für eine Flasche Stilleben von Charles Dufour. Knochentrocken, leicht oxidierte Apfelschale, etwas Brioche und eine tolle, mürbe Frucht mit feiner Würze. Der kleine Hunger zwischendurch wurde mit geschmortem Rindfleisch, Kürbis und Möhren, sowie Salat mit Roastbeef und Ziegenkäse bekämpft. Das war dann auch der Zeitpunkt, zu dem wir uns ganz in die Hände des Personals begeben haben und an der Weinauswahl nur noch durch nickendes Zustimmen nach dem ersten Schluck Teil hatten. Darunter haben dann auch die Notizen gelitten, aber wir hatten Spaß. So haben wir dann erst zum Essen einen Testalonga Stay Brave Chenin Blanc aus Südafrika und einen Malbec Puro von Dieter Meier aus Argentinien getrunken. Weiter ging es mit einem 7Fuentes von Suertes del Marques aus Spanien, gemacht aus Listan Negro und Castanella Negra, zwei autochthonen Rebsorten, und mit einem herrlichen kleinen Stinker und toller kühler Aromatik. Außerdem ein De Fermo L.A. aus Chardonnay und Pecorino. Dieser stand dem Roten in nichts nach. Anschließend noch aus gleichem Haus einen Launegild Chardonnay. Ganz kühl in der Aromatik, ganz frisch und blind nicht als Chardonnay erkannt. Rot noch einen Berhyll von Albrecht Schwegler aus Württemberg. Nachtisch und Abendabschluss war dann ein Chateau Nairac Barsac aus 2005. Perfekt. Die Kleinigkeiten zum Essen, die Flaschenkarte zum selber Wählen, das Sortiment und vor allem die Möglichkeit die Entscheidung was getrunken werden soll abgeben zu können waren ein Erlebnis.
Ein Spaziergang über den Markt, durch das Fischerviertel und anschließend an der Donau entlang bis in die Friedrichsau sind perfekt geeignet um mögliche Überbleibsel an Restalkohol aus dem Körper zu bekommen. Und auch die Innenstadt hat abseits der großen Einkaufsstraße super viel zu bieten. So viel, dass wir unbedingt nochmal wieder kommen werden. Wie schon anfangs erwähnt, war einer der Gründe warum die Wahl auf Ulm gefallen ist für diese drei Tage aber nicht die Stadt selbst sondern das Abendprogramm. Und nach der ganzen Lauferei (15 Kilometer sagt das Mobiltelefon) ist das sowieso mehr als verdient. Wir hatten im Bi:Braud reserviert und uns auf die vollen 5 Gänge plus Weinbegleitung eingelassen.
Los ging es mit Brot vom Ulmer Zuckerbäcker, einem Avocadodip, einem Currydip, Meersalz und gutem Olivenöl. Dazu ein Schluck Qvinterra Grauburgunder 2019 von Kühling-Gillot. Ein guter Start in den Abend. Weiter mit dem ersten richtigen Gang des Menüs: Eine toll gegarte Spalte Kürbis mit wunderbar cremigem Pürée, Ziegenfrischkäse, geflämmten Feigen und einem Lack auf Sojasoßen-Basis. Viel Umami und erdige Cremigkeit, die vom Frischkäse und den aromatischen Kräutern aufgelockert wurden. Dazu ein Ruppertsberger Riesling von Bassermann-Jordan, der mit Mineralik und frischer Säure gut gepasst hat. Mit dem nächsten Gang kam dann für mich das Highlight des Abends auf den Tisch. Dumplings gefüllt mit super zartem, intensiv schmeckenden Ochsenschwanz, dazu gewürfelte Pilze und gepickelter Sellerie in einem aromatischen Pilzsud. Dazu ein Exceptional Harvest von Ximénez-Spínola, einem halbtrockenen Weißwein aus Sherry-Trauben. Die Kombination des leicht säuerlichen aber knackigem Sellerie, dem auf der Zunge zergehenden Ochsenschwanz, der Umamibombe Pilzsud und dem Wein war unglaublich gut. Chapeau sowohl an die Küche als auch an die Auswahl des Weines. Und wo wir schonmal dabei sind auch gleich an den Service, die Erklärungen zum Essen, zu den Weinen, den Pairings und allem drumrum.
Der mit perfekt krosser Haut gebratene Saibling in Kombination mit Speck, Birnen, Erbsenpüree und Bohnen, der auf den Ochsenschwanz folgte, tut mir dabei fast ein bisschen Leid. Eigentlich war der nämlich auf Augenhöhe mit dem Ochsenschwanz und ähnlich spektakulär. Auch die Weinauswahl, ein Chablis von der Domain de l’Enclos, ein buttriges, gelbfruchtiges Vergnügen, hat super gepasst. Das war so gut, dass ich die Kombination Birne, Speck, Saibling auch selber mal ausprobieren werde. Ich schiebe es ganz auf die geschmackliche Tagesform und bin mir sicher, dass an anderen Tagen dieser Gang die Nase vorne hat. Als Hauptgang wurde butterzart geschmortes Rind in einer aromatischen Jus mit gebratenen Pilzen und einer intensiv röstigen Karotte und Kartoffelpürée serviert. Toll gekocht, aber nicht ganz so beeindruckend wie die beiden vorherigen Gänge. Als Wein gab es einen gereiften Sankt Laurent aus 2008. Der Abschluss hatte es dann aber nochmal in sich. Geraspelte Karotten, gezupfter Kuchen, Sauerrahm, weiße Schokolade, Sanddorn und Haselnüsse. Gefroren, fruchtig, salzig, süß, knusprig, weich, sauer, alles da. Dazu ein Sauvingon Blanc Kabinett von Oliver Zeter. Ein würdiger Abschluss.
Ganz durch sind wir aber noch nicht. Die Mittrinkerin isst kein Fleisch und so wurden der Hauptgang und der Ochsenschwanz durch fleischfreie Gänge ersetzt. Anstatt den Dumplings hat das Team Burrata mit Tomatenstückchen in einer intensiven, klaren Tomatenbrühe serviert. Crunch war auch im Essen, aber was genau ist bei mir in der Begeisterung für die Dumplings irgendwie verloren gegangen. Dazu ein sehr heller Rosé bei dem ich aber leider auch total verpasst habe, das Weingut oder den genauen Wein zu notieren. Die Mittrinkerin war glücklich. Sowohl mit der fleischlosen Alternative als auch mit dem Pairing. Der Hauptgang wurde mit dem Saibling, der dann ohne Speck auf den Teller kam, getauscht, und als dritten Gang gab es Teigtaschen mit Spinat- und Pilzfüllung in einer cremigen Parmesan-Weißwein-Soße. Dazu ein frischer Grauburgunder von Ellermann-Spiegel aus der Pfalz.
Nach so einem Menü kann man dann glücklich und zufrieden in die Matratze fallen und dann stört es auch überhaupt nicht, dass am Abreisetag mehr Regen als Sonne über Ulm gezogen ist. Wir kommen wieder.