30.5.2021

Zwei Gutedel von Ziereisen

Wir trinken vom Weingut Ziereisen aus Baden zwei Flaschen Gutedel: Einen Viviser aus 2017 und einen Steingrüble aus 2016.

Nachdem wir hier schon zwei Weine aus dem Hause Ziereisen getrunken haben, steht ein ganz wichtiger Teil der Kollektion noch aus. Ich kenne kein zweites Weingut, das Gutedel in einer solchen Tiefe vom Einstiegswein bis zum Spitzenwein keltert. Vom Heugumber im Einstieg bis zum Jaspis 10hoch4, und damit von deutlich unter 10 bis über 100 Euro, sind Weine im Sortiment. Dabei hat Gutedel eigentlich keinen besonders guten Ruf und ist auch nicht wirklich weit verbreitet. Das Markgräflerland in Baden steht weit und einsam an der Spitze der Anbaugebiete mit über 1000 Hektar Rebfläche Gutedel. Da sieht Saale-Unstrut als zweiter Platz mit gerade mal knapp über 20 Hektar schon ziemlich abgeschlagen aus. Das erinnert ziemlich stark an den Trollinger im benachbarten Württemberg. Wir trinken heute weder an der Spitze der Ziereisen Gutedelpyramide noch ganz an der Basis und auch der unter der Erde in Amphoren als Orange ausgebaute Unterirdisch ist nicht im Glas. Statt dessen öffnen wir eine Flasche Viviser aus 2017 und eine Flasche Steingrüble aus 2016. Viviser ist eine alte Bezeichnung für den Gutedel. Der Wein wird nach der Handlese im großen Holz vergoren und reift dann 20 Monate auf der Hefe. Er ist mit 0,5 Gramm Restzucker komplett trocken und trotzdem mit nur 11,5 Prozent erfreulich leicht im Alkohol. Der Steingrüble, der inzwischen Steinkrügle heißt, wurde ebenfalls nach der Handlese im großen Holz spontan vergoren und durfte dann 22 Monate auf der Hefe reifen. Er hat mit 1,9 Gramm nur minimal mehr Restzucker und 12% Alkohol. Die Reben stehen auf Jurakalk, wir hatten es erst davon, dass das selten ist in Deutschland. Beide Weine sind ungefiltert gefüllt und wie alle Weine von Ziereisen als Landwein deklariert.

Wir starten mit dem Viviser. Der ist unter Schraubverschluss, den ich, weil ich nur halb hingeschaut und noch weniger mitgedacht habe, erstmal mit dem Kapselschneider malträtiert habe. Passiert. Der Wein startet langsam im Glas. Kaum Frucht, es dominiert eine dunkle Würze und unerwartet viel, aber nicht unangenehm viel Holznote oder zumindest etwas, das in die Richtung geht. Auch auf der Zunge wirkt die Würze, gibt mit der Säure zusammen Grip und Struktur und auch hier erinnert er an Aromen aus dem Holzfass, wenn auch deutlich dezenter.

Auch am nächsten Tag ist bis auf eine Note Kernobst keine Frucht in der Nase zu finden. Braucht der Wein auch gar nicht, da die herbe Würze und der Holzeindruck noch opulenter geworden sind im Duft und auch im Mund ist er so ausfüllend, frisch und beständig liegenbleibend, dass man so überhaupt nichts vermisst. Spannenderweise schmecke ich das Holz, das ich zu riechen glaube gar nicht mehr. Das ist so ein Wein, der voll vom Mundgefühl her kommt und auch der Rest, der es ob der Menge der gleichzeitig offenen Flaschen in den dritten Abend geschafft hat, bestätigt das. Da hat der Wein den Holzeindruck auch in der Nase verloren, dafür ist da dann dezente exotische Frucht, Feinheit und ein bisschen Cremigkeit. Wenn es da die nächsten Jahre hingeht, dann kann man das entspannt im Keller vergessen. Und eine Flasche natürlich gleich trinken.

Der Steingrüble startet ähnlich. Etwas mehr Frucht, deutlich weniger wahrnehmbare Holznote im Geruch. Mehr Cremigkeit dafür und wirkt irgendwie eleganter. Gleichzeitig hat der Wein aber auch mehr Kontur und eine kräftigere Säure. Das bleibt so über die Nacht. Man meint einen Hauch Reife zu riechen, etwas Exotik, Litschi vielleicht und ein Stück Butter. Der Wein bleibt länger auf der Zunge als der Viviser, ist aber auch schwerer zu fassen. Er wirkt kühl und unaufdringlich, hat aber hinten raus so viel Tiefe und eine Saftigkeit, dass man direkt nochmal trinken will. Und dann, ganz am Ende, wenn der Wein eigentlich schon verschwunden ist, dann macht sich eine ganz sanfte Cremigkeit breit. Am dritten Abend wird das noch intensiver. Der Wein wird im Mund fast samtig und es bleibt dann eine feine, fast schon süße Buttrigkeit zurück. Schön ist das.

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