4.7.2021

Pranzegg - Tonsur 2019

Wir trinken schon wieder Wein aus Südtirol: Vom Weingut Pranzegg einen Tonsur 2019.

Wir bleiben einfach noch eine Woche in Südtirol. Martin Gojer keltert hier bei Bozen im Weingut Pranzegg Naturweine. Er hat den Hof 1997 übernommen und erstmal weiter die Trauben verkauft. Er wollte aber selbst Wein machen. Seit 2009 verantwortet er nun die Weine auf dem Weingut, deren Reben auf etwa drei bis vier Hektar Steillagen rund um das Bozener Tal wachsen. Es versteht sich von selbst, dass die Arbeit im Weinberg und Keller ökologisch und minimal ist, die Trauben spontan vergoren werden, weder gefiltert noch geschönt wird und auch Schwefel nur minimal zum Einsatz kommt. Dazu arbeitet Martin Gojer auch bei den Weißweinen gerne mit Standzeit auf der Maische. Die Trauben für den Tonsur, den wir aus 2019 heute im Glas haben, wachsen im gemischten Satz auf 700 Metern Höhe auf dem Bozener Hausberg Ritten. Bergwein. Im Satz steht Müller-Thurgau, der einen Großteil der Reben ausmacht, gemischt mit Weissburgunder, Silvaner und Chardonnay. Eine Mischung, die auf den ersten Blick die Erwartungen dann doch klein hält, steht doch gerade der Müller-Thurgau in meinem Kopf (und garantiert auch in dem von vielen Anderen) eher für belanglose Massenweine als für Qualität. Aber aus den gängigen Erwartungshaltungen ausbrechen ist, wenn er gut gemacht ist, oft eine Paradedisziplin vom Natural. Ich bin also optimistisch. Die Trauben für den Tonsur werden, wie schon angesprochen, spontan vergoren und bleiben dann zur Hälfte für die Gärung auf der Maische stehen während die andere Hälfte abgepresst und im Tonneaux vergoren wird. Anschließend verbleibt der Wein bis zur Füllung auf der Feinhefe.

Die Nase ruft nach dem Einschenken laut Natural. Angegorene Apfelschalen, Aromen von milchsaurer Gärung, Würze und ein bisschen Hefe riechen wir. Keine Frucht. Auch auf der Zunge erinnert er an milchsauer Vergorenes mit etwas Gerbstoff aus dem Schalenkontakt. Das liest sich erstmal ziemlich anstrengend, aber irgendwie ist der Wein gleichzeitig extrem charmant, weich und harmonisch. Dazu erinnert er bei späteren Schlucken an Zitronenabrieb und auf der Zungenspitze bleibt dann auch sowas wie Frucht zurück. Da erinnert er dann an saure Apfel- oder Pfirsichringe, aber wirklich nur im Nachgeschmack. Während der Wein noch im Mund ist hat man da nichts in diese Richtung. Und dann kommt der Speichelfluss und Salz auf den Lippen. Ich mag das.

Gegen Später kommt die Zitrusfrucht auch in der Nase an. Der Wein steht im Mundgefühl einem Orange sicher näher als einem klassischen Weißwein. Die Apfel- und Pfirsichringe verschwinden dann wieder und die Mittrinkerin meint er steht gerade irgendwo zwischen Zitronentarte und süßem Radler. Der Gerbstoff bleibt, der Trinkfluss auch.

Über Nacht kommt Würze. Das bisschen vorhandene Frucht ist wieder abgetaucht. Dafür ist da jetzt Kräutertee, mehr Weichheit auf der Zunge und eine enorme Länge. Dafür verliert er leider etwas an seiner Saftigkeit. Das tut dem Spaß aber keinen Abbruch und ich denke, dass der Tonsur durchaus auch ein Kandidat für den Erstkontakt mit Weißweinen mit Maischegärung ist. Ich kann mir vorstellen, dass er da geschmackliche Türen öffnet. Man darf halt erst hinterher sagen wie viel Müller drin ist. Dann baut er da vielleicht noch ein Vorurteil ab.

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