23.10.2022

Zwei Flaschen Haus Gupi

Wir starten in eine kleine Baden Serie mit zwei Flaschen Gutedel vom Haus Gupi: Es gibt eine Flasche La Bohème 2019 und eine Flasche El Fayoum 2020.

Nachdem der vergangene September Weinen aus Württemberg gewidmet war, soll das andere Weinbaugebiet in diesem Bundesland natürlich nicht zu kurz kommen. Schon zur Wahrung des Friedens am Esstisch führt kein Weg daran vorbei die nächsten vier Wochen Weine aus Baden in den Fokus zu rücken. Und davon abgesehen davon mag ich die Weine aller schwäbisch-badnerischer Rivalität zum Trotz ja sowieso sehr gerne. Der perfekte Einstieg in so eine kleine Serie ist vermutlich der Gutedel, als typische weiße Rebsorte aus Baden. Wobei die beiden Weine heute dann ziemlich weit weg von typisch sind. Wir trinken zwei Flaschen vom Haus Gupi. Gupi steht für Gutedel und Pinot und ist eine Weinlinie vom Weingut am Schlipf. Das liegt ganz ganz weit im Südwesten der Republik in Weil am Rhein praktisch direkt am Dreiländereck zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Dort sind inzwischen in sechster Generation Johannes und Christoph Schneider für die Weine verantwortlich. Die Weine unter dem Label Haus Gupi, sowas wie die Natural Linie des Weinguts, sind immer ohne Schwefel ausgebaut und gefüllt und werden vom Weingut selber als Vin de Soif beschrieben, ein perfekter Match zum Blog quasi. Wir trinken eine Flasche La Bohème aus 2019, der nach dem Wachstum auf Kalkstein spontan vergoren wurde, ein Jahr auf der Hefe lag und dann wie schon angesprochen ohne Schwefel komplett durchgegoren mit 0,4 Gramm Restzucker und 11% Alkohol gefüllt wurde. Außerdem noch eine Flasche El Fayoum vom gleichen Boden, der nach 8 Monaten auf der Hefe mit tatsächlich nur 9% Alkohol auf die Flasche kam.

Wir starten mit dem La Bohème. Der riecht zwar funky, aber nicht klassisch funky, wobei klassisch funky natürlich auch irgendwie dämlich klingt. Es hat einfach nichts von Apfelschale oder flüchtiger Säure, die dann ja doch eher häufiger als seltener im Natural steckt. Das hier ist dafür nussig, leicht rauchig und mineralisch und im Prinzip komplett fruchtlos. Dazu hat er ein kleines bisschen Karamell. Im Mund ist das weich, hat aber schon auch ordentlich Säure und Frische und ich habe echte Probleme beim Sortieren im Kopf einen vergleichbaren Wein zu finden. Das ist ziemlich einzigartig und schon auch ziemlich gut.

Der Wein wird cremiger über Nacht und hat dann auch etwas Fruchtiges. Ein bisschen Pfirsich vielleicht. Das aber nur in Anklängen, da die nussige Note weiter in der Nase überwiegt. Auf der Zunge ist der Wein so krass sauber und so saftig, dass man das tatsächlich einfach so weg trinkt. Das ist sicherlich einer der ungewöhnlichsten aber saufweinigsten Gutedel bisher. Großartig.

Die Rebsorte ist zwar die Gleiche, der El Fayoum ist aber komplett anders. Nicht nur weil er viel dunkler und trüber aus der Flasche kommt. Ich habe vom ersten Riechen an dieses Gefühl im Kopf, dass ich genau weiß was ich da rieche und aber nur nicht drauf komme. Wie ein Wort das einem auf den Lippen liegt, das aber doch unerreichbar weit weg ist. Schlimm ist das aber nicht, ganz im Gegenteil. Da passiert so viel im Wein. Da ist ein bisschen Bitterlikör, etwas Most, ein bisschen Butter und Kräuter. Im Mund wirkt das wie ein Minimal-Orange, mit ganz feinem Rauch und einem so sanften Gerbstoff, dass der zwar da ist, aber niemandem auf die Füße treten dürfte. Und auch hier ist der Wein blitzsauber.

Das Gefühl genau zu wissen was man da riecht hält sich auch über Nacht. Schlauer bin ich aber nicht am zweiten Tag. Da ist inzwischen was Limonadiges, etwas das an Tee erinnert, Kräutertee, kein Früchtetee und außerdem sind da Geleebananen in dunkler Schokolade. Das ist so unglaublich komplex, dass man die Nase einfach nicht aus dem Glas bekommt. Das ist so dicht und das bei nur 9% Alkohol. Unglaublich. Vielleicht würde ich mal wieder ein kleines bisschen Richtung Gerbstoff am zweiten Abend kritisieren, wer aber öfter hier liest, der kennt das schon und wie fast immer hat die Mittrinkerin überhaupt nichts zu kritisieren in diese Richtung.

Die beiden Weine sind eine richtige Entdeckung für mich und ich mag beide total gerne. Ich weiß nur nicht ob ich mich traue das bei der badischen Verwandschaft der Mittrinkerin auf den Tisch zu stellen. Da wurde schon der Wasenhaus Gutedel verschmäht. Das hier ist dann vielleicht sowas wie der Gutedelendgegner. Andererseits würde das bedeuten, dass mehr für mich bleibt. Also vielleicht doch auf den Tisch stellen. Auf jeden Fall aber nochmal kaufen.

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