Drei Flaschen Weingut Am Stein
Wir trinken vom Weingut Am Stein eine Flasche Scheurebe Stetten 2021, eine Flasche Silvaner Würzburger Stein 2020 und eine Flasche Spätburgunder Würzburger Innere Leiste 2018.
Für mich ist der Ort Stetten auf einer Weinflasche im Kopf fast unzertrennbar mit Wein von hier aus dem Remstal verbunden und im heutigen Fall läge ich damit komplett daneben. Da steht zwar Stetten auf der Scheurebe, die kommt aber nicht etwa aus Württemberg sondern aus Franken. Die Familie Knoll macht in Würzburg mitten in der Lage Würzburger Stein seit 1980 Wein im Weingut mit dem naheliegenden Namen Weingut Am Stein. Wir probieren drei Weine aus dem Weingut, eine Flasche Silvaner aus dem Würzburger Stein 2020, eine Flasche Spätburgunder aus der Lage Würzburger Innere Leiste 2018 und eben die Scheurebe aus Stetten. Wo es im übrigen auch noch eine Lage Stein mit Weinen vom Weingut gäbe, aber das war mir dann ein bisschen zu viel Stein. Im Würzburger Stein stehen die Reben nach Süden ausgerichtet im Hang auf Muschelkalk. Die Würzburger Innere Leiste liegt etwas südlich davon auf der anderen Seite des Main in einem kleinen Seitental mit etwas anderem Klima und Stetten liegt dann etwas nördlich von Würzburg, wo die Reben ebenfalls auf Muschelkalk stehen. Alle Weinberge werden im Weingut biodynamisch bewirtschaftet. Silvaner und Spätburgunder sind als VDP.Erste Lage klassifiziert, die mit leichtem Restzucker gefüllte Scheurebe als Ortswein.
Los geht es mit dem Silvaner. Der riecht ein bisschen nach Vegetation, etwas nach Heu und Hefe. Da ist zwar Mango, die Frucht ist insgesamt aber sehr dezent und der Wein lebt von Kräuterigkeit und Würze in der Nase. Die Würze definiert den Silvaner dann auch beim Trinken. Da ist zwar natürlich auch Frucht und eine ziemlich weiche Säure, aber so richtig Spaß macht das erst durch die Struktur und eben die Würze.
Über Nacht zieht sich der Wein dann ein bisschen zurück und hat irgendwie nicht so richtig Lust am zweiten Abend. Das wirkt jetzt super jung, hefig und sehr leise. Im Mund ist da zwar weiter die tolle Struktur, aber so richtig Freude macht das nicht und die Wahl zwischen Sauerstoff durch Umschütten in eine Karaffe oder einfach noch einen Tag Zeit geben fiel dann auf den zusätzlichen Tag Zeit.
Das war dann auch die genau richtige Entscheidung, obwohl eine Zwangsbelüftung in der Karaffe sicher einen ähnlichen Effekt gehabt hätte. Der Wein ist wieder voll da, ist offener, expressiver geworden. Im Mund ist noch mehr Fokus, da ist grüner Apfel und die Textur und eine, so die ersten beiden Abende nicht dagewesene, Saftigkeit und Länge. Ich selber würde einer zweiten Flasche noch ein bisschen Zeit im Keller geben, aber es spricht eigentlich auch überhaupt nichts gegen jetzt öffnen und dann entweder direkt viel Luft zuführen oder einfach über mehrere Tage genießen. Spaß macht das in jedem Fall eine Menge.
Die Scheurebe riecht zwar intensiv fruchtig, ist aber nicht intensiv fruchtig. Das klingt jetzt zwar ziemlich blöd und da sind Multivitaminsaft, Exotik, Mango, Maracuja, Beeren und ein bisschen Ananas, aber trotzdem wirkt das überhaupt nicht aufdringlich. Das ist super ernsthaft und mit so viel Spannung in der Nase, dass das auch mich voll abholt. Das bisschen mehr an Restzucker macht das extrem charmant und zusammen mit der guten Portion Maracuja und Stachelbeere ist hier ähnlich viel aber auch ähnlich ernsthafte Frucht und ein kleines bisschen Grün hält dann so schön dagegen, dass ich jetzt schon weiß, dass das hier mit drei Abenden nichts werden wird.
Die braucht der Wein auch nicht, da sich über Nacht kaum etwas verändert. Ich finde vor Allem spannend, dass hier viel mehr Maracuja auf der Zunge ist als man in der Nase hat. So rum hatte ich das soweit ich mich erinnern kann noch nie. Und wo die zusätzliche Nacht keinen großen Unterschied gemacht hat, mag es der Wein dann doch ein paar Grad Temperatur mehr zu haben. Scheurebe kann eben richtig stark sein.
Der Spätburgunder hat dann zum Abschluss richtig viel Würze, etwas Rauch, Tabak und Kirsche. Da ist erstmal erstaunlich viel Gerbstoff im Wein, der hinten raus auch viel Druck mitbringt aber nie unreif kratzig wird. Und obwohl das schon ziemlich saftig ist, hat man das Gefühl, dass er so ganz noch nicht will. Aber wir haben ja Zeit und sowieso schon einen dritten Abend für den Silvaner eröffnet.
Hier bringt schon der erste Tag mehr eine deutliche Verbesserung. Der Wein ist erdiger geworden, die Frucht offener. Die Kirsche ist so kirschig jetzt und die Säure gibt viel Frische. Der Gerbstoff ist ein bisschen weicher geworden, aber immer noch deutlich vorhanden und diese Entwicklung hin zu mehr Offenheit geht mit Luft und Temperatur im Glas immer noch einen kleinen Schritt weiter. Die Frucht wird immer dunkler in der Nase und das geleerte Glas riecht nach Walnuss.
Und der verdiente dritte Abend setzt diese Entwicklung fort. Deutlich am harmonischsten leeren sich die letzten Schlucke dann wie von selbst. Das ist jetzt perfekt rund und ausgeglichen. Vielleicht gab es Weinyoga im Kühlschrank, wer weiß. Was ich auf jeden Fall weiß ist, dass es sich mehr als lohnt dem Spätburgunder wie schon dem Silvaner Zeit zu geben.