12.3.2023

Zwei Flaschen Rudolf May

Wir trinken aus Franken vom Weingut Rudolf May eine Flasche Silvaner Retzstadt Der Schäfer 2021 und eine Flasche Spätburgunder Retzstadt Langenberg aus 2020.

Bevor wir uns in den nächsten Wochen wieder mal intensiv mit meinem liebsten deutschen Anbaugebiet beschäftigen, schieben wir einen kleinen Abstecher nach Franken ein. Das Weingut May gibt es seit 1998, was sich irgendwie viel weniger lange her anfühlt als es tatsächlich ist. Sind ja immerhin auch schon ein viertel Jahrhundert inzwischen. Ein bisschen weniger lange her ist die Umstellung auf biologisch zertifizierten Weinbau, das war 2015. Es gibt im Sortiment zwar gerade auch noch andere Rebsorten, der Fokus liegt aber auf Silvaner und Spätburgunder und ich habe in einem Interview mit dem VDP gelesen, dass es auch Ziel ist diesen Fokus radikal auf 80% Silvaner und 20% Spätburgunder zu legen. Da lag es dann auf der Hand genau diese beiden Rebsorten zu probieren. Wir trinken eine Flasche Silvaner Retzstadt Der Schäfer aus 2021 und eine Flasche Spätburgunder Retzstadt Langenberg aus 2020. Der Langenberg ist vom VDP als Erste Lage klassifiziert. Der Schäfer ist ein Gewann im Langenberg direkt nördlich über Retzstadt gelegen. Die Reben schauen hier im steilen Hang gen Süden und stehen auf Muschelkalk. Der Silvaner wird offen spontan im Holz vergoren und reift dann in einem neuen Doppelstückfass, das 2400 Liter fasst. Nach dem Abzug von der Vollhefe wird der Silvaner weiter auf der Feinhefe im gebrauchten Holz ausgebaut. Der Spätburgunder aus den Langenberg wächst ebenfalls auf Muschelkalk. Er wird für 15 Monate im Barrique mit einem Zehntel Neuholz ausgebaut. Der Mangel an Baumrinde auf dem Bild ist dem Schraubverschluss der beiden Flaschen geschuldet. Mag den Traditionalisten unglücklich machen, finde ich aber ziemlich gut.

Wir starten mit dem Silvaner. Der riecht erstmal dezent nach etwas gelber Frucht und Heu. Da kommt mehr das Gefühl von Cremigkeit in die Nase als dedizierte Aromen. Das ist weder offensiv noch aufdringlich und trotzdem dicht und auf seine eigene Art auch ziemlich intensiv. Das Gefühl hat man dann noch viel deutlicher nach dem ersten Schluck. Das wirkt sehr jung, ist es ja auch und man mag mir gerne mal wieder vorwerfen hier zu ungeduldig gewesen zu sein, aber wir geben dem Wein einfach drei Abende und dann geht das schon in Ordnung. Schon jetzt ist das auf der Zunge dicht und voller Textur und Substanz, so dass man anfangen möchte darauf rumzukauen. Und kauen kann man dann minutenlang, so lange wie das liegen bleibt.

Über Nacht wird das Holz deutlicher in der Nase und die Frucht wird exotischer. Irgendwie erinnert das an Papaya oder dieses Zeug mit dem weißen Fruchtfleisch. Zumindest vom Mundgefühl her, weil im Gegensatz zum Wein schmeckt das Zeug mit dem weißen Fruchtfleisch meist nach fast gar nichts. Die Mittrinkerin murmel leise Pitahaya. Sag ich doch. Die Entwicklung in der Nase ist aber gar nicht so wichtig, weil das Mundgefühl und die Struktur einfach immer noch zum Reinlegen gut sind.

Wie versprochen schafft es aber ein kleiner Rest dann tatsächlich noch in einen dritten Abend. Der Wein wir noch intensiver in der Nase, noch exotischer in der Frucht und entwickelt noch mehr Harmonie und Balance. Das reift sicher wunderschön. Ist mir aber egal, weil das jetzt schon richtig viel Spaß macht und wir alle wissen: Wichtig ist im Glas.

Der Spätburgunder hat Holz, Würze und Kirsche in der Nase. Und auch hier ist die Frucht erstmal eher in der zweiten Reihe zu finden. Da ist ein bisschen was Strauchiges, Gestrüppiges in der Nase, das so ein bisschen an Johannisbeerstängel oder auch Kerne erinnert. So ein kleines bisschen Widerspenstig ist der Wein und ein paar Gewürze hat er auch. Im Mund ist dann eine gute Ladung Saftigkeit aus der frischen Säure. Das hat zwar Länge, aber im Vergleich mit dem Silvaner auf dem man noch ewig rumkauen kann zieht der Spätburgunder gerade deutlich den Kürzeren. Wortwörtlich. Mit Luft kommt immer mehr Frucht und das Strauchige geht zurück und es wird noch einen Tick frischer.

Über Nacht tut sich dann gar nicht so viel. Das bleibt eigentlich genau so wie wir es vom ersten Abend in Erinnerung hatten. Und auch hier schafft es dank der Anzahl der gleichzeitig offenen Flaschen ein kleiner Rest in den dritten Abend. Das ist die Widerspenstigkeit komplett verflogen, der Gerbstoff ist weich geschliffen, die Frucht dunkel und ein kleines bisschen wärmer geworden. Natürlich ohne die Frische zu verlieren. Wenn man also lieber Harmonie trinkt, dann kann man das hier also auch haben. Man muss nur zwei Tage warten. Ich mag das Plus an Spannung der ersten beiden Abende mehr.

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