26.3.2023

Zwei Flaschen Wetzel

Wir trinken von Harald Wetzel aus Stuttgart einen Trollinger Pur 2018 und einen Cabernet Franc 2019.

Wir bleiben in Württemberg und trinken Wein aus der Hauptstadt, denn auch da gibt es Weinbau. Etwas südwestlich der Innenstadt, laut Google zu Fuß (wie gut auch immer die Routenplanung zu Fuß sein mag) etwa eine Dreiviertelstunde weit vom Marktplatz entfernt, liegt der Degerlocher Schnarrenberg. Die Lage wurde bereits im fünfzehnten Jahrhundert in Urkunden erwähnt, ist also eine Traditionslage in Stuttgart. In den für hier typischen mit Trockenmauern abgegrenzten Steillagen baut Harald Wetzel seit 2007 ökologisch Weinreben an. Und das in der leicht wild klingenden Kombination von Trollinger (sehr typisch für hier) und Cabernet Franc (eher nicht so typisch für hier). Naturwein macht er aus den Trauben und lässt sich gerade sein biologisches Wirtschaften zertifizieren. Der Trollinger wird natürlich spontan vergoren, im gebrauchten Holzfass ausgebaut und dann ohne Schwefel oder Filtrierung gefüllt. Unsere, gerade gekaufte Flasche ist aus dem Jahrgang 2018. Der Cabernet Franc, ebenfalls mit möglichst wenig Intervention ausgebaut, spontan vergoren und ohne Schwefel gefüllt ist aus 2019. Das Etikett, das aus der Nähe eher nach abstrakter Kunst aussieht, entpuppt sich wenn man einen Schritt zurück geht dann als Rabe, der für jedes Etikett von Hand auf Papier gedruckt wird und jedes mal ein bisschen anders aussieht.

Trollinger ist ja insgesamt eher schwierig was Ruf und Qualität auf den Flaschen angeht. Und ich kann beim Einschenken hier das Gejammer darüber, dass das ja gar kein richtiger Rotwein sei bei so einer Farbe und ob man da nicht aus Versehen Rosé gekauft hat schon förmlich hören. Hat schon seinen Grund, warum so oft dann noch ein bisschen andere Rebsorte mit rein verschnitten wird. Mir ist Farbe im Wein aber ziemlich egal und davon abgesehen mag ich die Farbe so wie sie ist irgendwie auch. Die mögliche Diskussion dürfte sich dann aber sowieso erledigt haben, wenn man die Nase ins Glas hängt. Da ist ganz schön was los. Ein leichter, aber sehr sauberer Stinker ist da. Und obwohl da Naturwein sogar auf der Flasche steht, riecht das eigentlich gar nicht so besonders nach dem was man so erwarten würde bei Weinen bei denen Naturwein auf die Flasche geschrieben wurde. Klar, ist das ein bisschen wild, das waren aber alle Trollinger, die mir in letzter Zeit gefallen haben. Für mich passt das gut zur Rebsorte und irgendwie braucht er das sogar. Da sind rote Früchte, etwas Hefe und ein bisschen Gerbstoff. Schon beim Riechen freu ich mich auf die Kombination mit Linsen und Spätzle zum Abendessen. Auf der Zunge ist das super saftig, frisch, fruchtig aber auch mit Gerbstoff und viel Zug. “So nämlich. So muss das, so kann das auch geil sein” will man dann all den langweiligen Flaschen Trollinger Ländle auf und Ländle ab ins Gesicht schreien. Hat man aber vielleicht auch schon in der Vergangenheit mal gemacht und festgestellt, dass das niemandem weiter hilft. Ist eigentlich aber auch egal, soll doch jeder gerne trinken was er will und wer den anderen Typ Trollinger liebt wird mir und allen Anderen sowieso den Vogel zeigen, wie man sowas hier überhaupt trinken könne. Falls es nicht klar geworden ist, ich mag das, sehr.

Und auch einen Tag später, direkt aus dem Kühlschrank, macht der Wein richtig Spaß. Kühle Frucht, etwas kalter Rotbuschtee, etwas Gerbstoff. Das ist oben dabei, bei den spannenden, bei den neuen Trollingern, die das Trinken durch Württemberg unter Anderem so spannend machen. Ob das was für einen selber ist, muss dann jeder für sich entscheiden. Für um die 15 Euro sollte man dem Wein auf jeden Fall mindestens mal eine Chance geben.

Einen Sekt, Brut Nature, handgerüttelt aus genau diesen Trollingertrauben macht Harald Wetzel übrigens auch noch. Leider war der beim Händler gerade aus. Steht jetzt aber auf der inneren Liste für Weine, die ich mal probieren möchte.

Der Cabernet Franc ist dichter in der Nase als der Trollinger. Auch so ein bisschen stinkerig, aber gleichzeitig auch mit deutlich mehr Frucht. Beerig und nach Kirsche riecht es da und im leeren Glas dann intensiv nach roten Johannisbeeren mit Stängeln. Aber auch Würze ist da und etwas Kräuteriges. Und irgendwie riecht das viel mehr nach Natural als es der Trollinger getan hat. Nicht offensiv oder irgendwie unsauber, aber das hat schon mehr Funk dabei. Die Säure tänzelt am Gaumen auf dem Grat zwischen wilder Frische und zu wild, schafft es aber für mich gerade so noch nicht herunter zu fallen. Und während die Säure so durch den Gerbstoff schneidet, ist auch der irgendwo da, wo ein Schritt mehr für mich nicht mehr passen würde. Für mich ist der Wein ein bisschen Grenzerfahrung auf der richtigen Seite der Grenze und wenn man sich darauf einlassen kann und möchte, dann gibt er auch jede Menge Raum für Entdeckungen und wird mit mehr Sauerstoff immer komplexer.

Und der Wein bleibt auch so über die nächsten beiden Tage. Die Frucht ist etwas dezenter geworden, da ist etwas Süßholz, Kräuter und sehr dunkle Beeren. Ich habe bei so Weinen ja immer die Angst, dass sie auseinander Fallen und eben diesen Tanz auf der Messerklinge dann mit Sauerstoff nicht durchhalten können. Das passiert hier aber nicht. Das bleibt einfach genau so auch noch nach zwei Tagen in der offenen Flasche. Spannend, ein bisschen anstrengend vielleicht, aber schon auch ziemlich schön.

Ähnliche Beiträge

comments powered by Disqus