9.4.2023

Drei Flaschen Kleines Gut

Wir trinken zu Ostern drei Flaschen Natural aus Württemberg vom Weingut kleines gut: Ein Vin de Soif 2022, eine Flasche Blanc 2021 und eine Flasche Rouge 2021.

Es passiert wirklich nicht so oft, dass ein neues Weingut aus Württemberg in meiner Bubble in den sozialen Medien immer wieder aufploppt. Das letzte Mal dürfte das bei Lassak der Fall gewesen sein. Und dieses Mal sind es Daniel und Frederike vom Weingut kleines gut. Die Beiden bewirtschaften seit 2020 etwa 3 Hektar Rebfläche im Süden von Stuttgart rund um Uhlbach. Dass einer der Weine Vin de Soif, also Saufwein, heißt, hat sicherlich auch geholfen, dass drei Flaschen als Osterwein jetzt im Blog landen. Der Vin de Soif, Jahrgang 2022 und damit der erste 2022er in meinem Glas, kommt mit Kronkorken und ist eine Cuvée aus 60% Trollinger (ja, schon wieder Trollinger), 30% Pinot Noir und 10% Zweigelt, hat 10% Alkohol und landet nach 5 Tagen Maischestandzeit und Ausbau im Edelstahltank mit minimaler Schwefelgabe auf der Flasche. Der Blanc 2021 vereint alle weißen Rebsorten, die im Weingut angebaut werden. Das sind Weissburgunder, Silvaner, Kerner, Chardonnay und Riesling. Der Wein hat ebenfalls etwas Maischestandzeit, die je nach Traubensorte variiert, wird langsam abgepresst und dann zusammen in gebrauchten 500 Liter Holzfässern für ein Jahr ausgebaut. Der Rouge, auch 2021, besteht aus Lemberger, Merlot und Zweigelt, wird mit den ganzen Trauben eingemaischt und für 10-12 Tage stehen gelassen, bevor er dann ebenfalls langsam gepresst und in gebrauchten, kleineren Holzfässern ausgebaut wird.

Los geht es mit dem Saufwein. Wir wussten schon ungefähr was uns erwartet, da wir vor ein paar Wochen schonmal ein Glas davon zu famosem Käsetoast in der ebenso famosen Nova Bar in Stuttgart getrunken hatten. Das riecht ziemlich wild nach dem Entkronkorken und schäumt ein bisschen vor sich hin. Das hat was von leicht angegorener Johannisbeerschorle und Apfelmost. Das bisschen Tannin wird vom Blubber die Zunge runter getragen und man fängt an zu verstehen, warum der Wein heißt wie er heißt. Das ist trocken, saftig, frisch und unkompliziert. Das ist Wein für den großen Durst, der dankenswerter Weise auch in Magnums gefüllt wird. Unsere Flasche hat den Abend nicht überlebt, wenn man also wissen will, was sich da entwickeln könnte, dann eher Magnum. Könnte aber sein, dass auch die leer wird. Das ist charmant dreckige Brausetablette, Blaubeere und Johannisbeere. Cooles Zeug.

Der Blanc danach ist dann anders, aber auch schön. Das riecht auch deutlich nach Natural, ist dabei aber sehr sauber und klar. Da ist Apfelschale, etwas Nuss und ein bisschen Reduktion gemischt mit gelber Cremigkeit. Auf der Zunge dann mächtig Zug, viel Frische und ein feiner Gerbstoff. Das macht im Mund ein bisschen das, was Streuobstäpfel machen, wenn man ein bisschen zu tief rein gebissen hat und eine Ladung Kerngehäuse mitgekommen ist. Überhaupt fühlt sich das von der Säurestruktur, der Frucht und dem Gerbstoff total nach Apfel an. Mit mehr Luft wird das dann zu einer Mischung aus Bäckerhefe und grünem Apfel, es wird stoffiger im Mund und karger in der Nase.

Über Nacht riecht der Wein noch mehr nach Nuss. Schmecken tut er inzwischen aber leicht nach exotischer Frucht. Super komplex und vor Allem fällt überhaupt nichts auseinander. So ein bisschen ist das ja die große Kunst am Weglassen beim Natural. Dass man es trotzdem irgendwie sauber in die Flasche bekommt und es einem beim ersten Kontakt mit Sauerstoff nicht schon vor der Zunge kaputt geht. Da ist richtig Spannung im Wein und ein kleines Karamellbonbon, das dann so schnell wie es gekommen ist, auch wieder verschwindet. Da ist Zitrus, etwas Flieder und überhaupt sehr viel. Nur Natural mögen, das sollte man schon, sonst ist das vielleicht der falsche Wein.

Rot trifft mich dann unerwartet. Wobei ich eigentlich gar nicht so genau weiß, was ich erwartet habe. Nicht das eben. Das riecht nach wirklich wunderschönen, dunklen Beeren. Brombeeren, Cassis und Schlehen und sowas. Und gleichzeitig ist da zwischen der Frucht das Wilde, das die anderen beiden Flaschen auch schon hatten. Da ist ein bisschen Klebstoff, schon auch was Mostiges, ein bisschen Haribo und ein bisschen Badewasser. Wenn man dann fertig gerochen hat und trinkt, dann hat man so viel Sauerkirsche auf der Zunge, wie ich das selten mal hatte. Das ist wirklich wie Sauerkirschen-Essen im ersten Moment. Wieder mit Kernen dabei. Mit mehr Luft geht das dann immer mehr in Richtung Johannisbeere zusammen mit den grünen Stängeln und wird immer wilder in der Nase.

Wir haben dann vergessen den Wein rechtzeitig aus dem Kühlschrank zu holen und so kommt er mehr in der Nähe von Kühlschrank als in der Nähe von Raumtemperatur ins Glas. Das steht ihm aber erstaunlich gut. Das riecht so wie am ersten Abend, schmeckt aber wie Fruchtsaft mit Holzchip-Deko oben drauf. So ein bisschen wie diese getrockneten Limetten auf Cocktails. Man sieht das und schmeckt deshalb vielleicht ein bisschen mehr als eigentlich drin ist. Weil Gerbstoff ist da nicht wirklich. Wenn der erste Wein nicht schon Saufwein heißen würde, dann würde ich dem hier dieses Label aufdrücken wollen.

Hab ich schonmal gesagt, dass man unbedingt mehr Württemberg trinken sollte? Nein? Trinkt mehr Württemberg!

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