Christmann - Idig 2017
Wir trinken vom Weingut Christmann eine Flasche Riesling aus dem Königsbacher Idig von 2017.
Es gab eine Zeit, da war im Prinzip jede Flasche Wein, die ich aufgemacht habe Riesling. Das ist nicht mehr so, überhaupt nicht mehr. Und wenn ich inzwischen zu Riesling greife, dann ist es fast immer Schaumwein oder Kabi. Aber manchmal überkommt sie mich, die Rieslinglust und dann reicht weder Schaumwein noch Kabi. Dieses mal muss den Job eine Flasche Idig 2017 vom Weingut Christmann erledigen. Ich muss gestehen, dass ich inzwischen ein bisschen den Überblick verloren habe, aber es könnte sein, dass es der erste Wein ist, der doppelt hier im Blog auftaucht. Beim letzten Mal vor über vier Jahren war er nicht alleine unterwegs und auch der Jahrgang, ebenfalls vier Jahre Unterschied, war ein anderer. Heute bekommt der eine Wein die ganze Aufmerksamkeit. Zu beiden Jahrgängen gab es auch korrespondierende Gutsweine in der VDP Lagenpyramide. Auch das hat sich geändert. Mit dem Jahrgang 2022 haben Sophie und Steffen Christmann ihr Sortiment je nach Sichtweise fokussiert oder ausgedünnt. Es gibt nur noch Lagenweine und so hat konsequenterweise eine Lagencuvée den Platz als Sortimentseinstieg eingenommen. Außerdem gibt es nur noch Weissburgunder, Riesling und Spätburgunder. Das ist zum Einen von der Idee her irgendwo nachvollziehbar, da man sich eher in der Spitze abhebt als im Gutsweinsegment, zum Anderen aber zumindest erwähnenswert, dass ausgerechnet das Weingut des VDP-Präsidenten Steffen Christmann die unteren beiden Ebenen der verbandseigenen Pyramide abgesägt hat. Ich bin gespannt, ob das Beispiel Schule machen wird. Gleichzeitig bedeutet das, dass noch ein bisschen mehr Rampenlicht auf jeden einzelnen Wein fällt, so wie auch auf diesen Riesling aus dem Königsbacher Idig. Die Trauben, die auf Kalkstein wachsen, wurden von Hand gelesen und dann spontan vergoren. Ausgebaut wurde im großen Holzfass.
Der Idig braucht ein paar Jahre Zeit. Wir haben genau diesen Wein vor etwa vier Jahren einmal auf einer Messe probiert und entschieden, dass wir eine Zeit lang vergessen, dass wir diese Flasche besitzen. Man liest hier und da immer mal wieder, dass man einem Großen Gewächs mindestens fünf Jahre gönnen sollte. Die eine oder andere ziemlich großartige und deutlich jüngere Flasche der letzten Jahre würde da widersprechen, aber als Faustregel ist das vielleicht gar nicht so schlecht. Denn wirklich reif wirkt hier noch nichts. Da ist Rauch in der Nase und eine leicht cremig, aber doch noch sehr feste gelbe Frucht und frische Trauben. Man schwankt im Eindruck irgendwo zwischen angereift und jung, aber egal wie man sich da entscheiden mag, ist es ziemlich intensiv und dicht beim Riechen. Und auch auf die Zunge schafft es die Frucht. Da ist dazu noch viel Frische und der Wein wirkt hier nochmal deutlich jünger. Wo man sich vielleicht beim Riechen schon sicher war, dass ein paar Jahre am Wein vorbei gezogen sind, verschwimmt dieser Eindruck beim Trinken. Und das liegt nicht am Alkohol. Beim ersten Schluck war ich enttäuscht wie schnell der Wein verschwindet, aber dann baut jeder weitere Schluck darauf auf, bleibt immer länger und länger liegen, so dass sich das Mundgefühl irgendwie immer weiter kummuliert und spätestens am Ende des ersten Glases gar nicht mehr verschwinden will. So hatte ich das auch noch nie. Und mit der Saftigkeit geht es mir ganz ähnlich. Das ist ziemlich stark. Und auch, dass das leere Glas für mehr als nur Nachschenken taugt, ist immer ein gutes Zeichen. Da ist dann deutlich mehr Frucht, Süße und Cremigkeit und weniger Rauch. Und dann wird nachgeschenkt.
Über Nacht scheint der Wein zu realisieren, dass er doch schon einige Zeit in der Flasche verbracht hat. Er riecht reifer, gelber und der Rauch ist verschwunden. Ich wollte kurz schreiben, dass er breiter geworden ist, aber das ist nicht das richtige Wort. Mehr ist er aber geworden. Da ist Zug aus der Säure, wer sich aber gerne den Zahnschmelz entfernt, der ist hier falsch. Der Idig kommt mehr aus der Textur als über die Säure. Und auch beim Trinken wirkt er reifer. Da ist mehr Frucht, mehr Cremigkeit, reife Mango, Zitrus und Kräuter. Moment, ich muss kurz wieder auffüllen. Das ist dicht, komplex, salzig und strukturiert und trotzdem weich und anschmiegsam. Jetzt bleibt schon der erste Schluck lange auf der Zunge liegen und es fällt mir schwer zu sagen, ob mir dieser zweite Abend besser gefällt oder der Erste und weil genau das so spannend ist, darf ein kleiner Rest noch ein weiteres mal im Kühlschrank übernachten.
Und da tut sich dann gar nicht mehr so viel. Die Nase ist weiter kräuterig, leicht reif und gelb, mit einer geöffneten Flasche Klebstoff irgendwo im Raum. Das was sich im Geschmack in Richtung Cremigkeit entwickelt hatte macht eine kleine Rolle rückwärts und entwickelt wieder den Zug des ersten Abends. Das ist kein lauter Wein, das war auch 2013 nicht, das ist aber ein intensiver Wein, balanciert, ruhig und rund. Und bei all den laut schreienden Eindrücken und Weinen dieser Welt, ist es oft schwierig, genau diese Ruhe von Langweilig zu unterscheiden und sie als das zu erkennen was sie ist. Größe. Ich bin mir sicher, dass der Wein trotz seiner 6 Jahre Alter immer noch ganz am Anfang steht. Aber um zu sagen wo es hingeht, da fehlt mir immer noch die Erfahrung. Irgendwann komme ich da vielleicht auch mal hin. Wer der Flasche aber jetzt schon an den Korken geht, der wird sicher nicht traurig sein.