5.5.2024

Forgeurac - Engelsfelsen 2019

Wir kämpfen uns durch die Wachskapsel einer Flasche Forgeurac Engelsfelsen 2019 Spätburgunder und werden für die Mühe mehr als belohnt.

Alles neu macht der Mai sollte man meinen. Gar nicht neu ist aber die Widerspenstigkeit der Wachskapsel auf dieser Flasche Wein. Ich hatte schon verdrängt wie groß und undurchdringlich der rote Bobbel auf den Flaschen ist. Im Vergleich zur Flasche Walis vor zwei Jahren hat sich da mal so gar nichts getan. Mehr Kampf als Flasche Öffnen. Einfach ziehen funktioniert nicht, rund herum anritzen funktioniert so mittelgut. Immerhin bin ich nicht abgerutscht. Und das Kellnermesser lebt auch noch, aber wie viele solcher Kapseln da noch drin sind bevor die Nieten nachgeben, will ich gar nicht erst ausprobieren müssen. Forgeurac ist im Rennen um die zäheste Kapsel auf der Flasche auf jeden Fall weit vorne mit dabei. Lediglich die Flaschen von Madame Flöck konnten da vor ein paar Jahren mithalten. Da ich das aber schon länger nicht mehr im Glas hatte, weiß ich nicht, ob das immer noch so ist. Ebenfalls unverändert ist, dass Uwe Lange und Marco Pfliehinger nördlich von Karlsruhe in einer alten Schmiede Wein aus allerlei Lagen in Süddeutschland machen. Die Reben für diesen Wein wachsen ein ganzes Stück weiter südlich im Bühlertal in der Lage Engelsfelsen. Hier, im extrem steilen Hang, steht der Wein auf kleinen, nicht flurbereinigten Terassen und sogar die deutsche Wikipedia hält die Lage für relevant genug um einen Artikel (mit Bild) zu spendieren. Weinbau unter diesen Umständen bedeutet offensichtlich viel Handarbeit und das dürfte sich hier ganz ähnlich zum Steillagenbau an der Mosel verhalten. So richtig verstehen wie steil steil hier eigentlich ist, tut man dann, wenn man selber im Berg steht. Die Trauben für diese Flasche wurden spontan in kleinen Holzbottichen vergoren und dann in gebrauchten Holzfässern ausgebaut. Der Wein kommt anschließend ohne Schönung und Filtration mit minimal Schwefel unter die Wachskapsel.

Der Wein entschädigt die Mühe des Öffnens direkt in den ersten Momenten. Das riecht wunderschön, würzig, mit leichten ätherischen Noten und Kräutern. Das ist duftig, hat Frucht, ist aber gleichzeitig auch kernig und rauchig mit viel Struktur. Es erinnert ein bisschen an diese Holzscheiben, die man sich gegen Motten in den Schrank legt und an rauchige Kirschen. Der Wein ist komplex, fein und trotzdem wirklich intensiv und richtig frisch. Da ist Säure auf der Zunge, Zug und Saftigkeit, Frucht und Gerbstoff, der an Kirschkerne erinnert.

Ein Tag später tritt die Frucht einen Schritt zurück. Mehr Struktur ist da jetzt, Schwarztee und die kleinen Holzscheiben. Das, was an Frucht noch verblieben ist, wirkt viel dunkler und herber als noch am ersten Abend. Der Wein ist kommplett trocken, man meint, dass kein Gramm Zucker die Gärung überlebt haben kann. Analytisch weiß ich es aber gar nicht. Der Gerbstoff kratzt nicht, er ergänzt den ganzen Rest. Und mit der Säure und dem Saft trinkt man sich Schluck für Schluck durchs Glas. Die Tiefe und Komplexität ändern das nicht. Das ist irgendwie schnörkellos, unaufdringlich, aber komplett einnehmend. Der Angelsachse würde vielleicht effortless dazu sagen, was irgendwie schöner klingt als mühelos. Das ist mir zu nahe an einfach und einfach ist hier überhaupt nichts. Vielleicht klingen manche Wörter in der nicht-Muttersprache auch einfach schöner, weil die Verbindung dazu eine andere ist. Was es ist, ist das Gegenteil von anstrengend, das holt mich ab und nimmt mich mit, das zieht mich total an und funktioniert gleichzeitig extrem gut zu einem einfachen Wurstbrot.

Mal wieder interessiert mich, was noch ein Tag Luft mit dem Wein anstellen würde. Und mal wieder lohnt sich die Neugier. Er bekommt so eine richtige Wohlfühlnase, geschmeidig, fast süß in der Frucht jetzt und noch ätherischer. Alles ist viel dichter zusammengerückt, es ist viel schwerer geworden das in der Nase wieder auseinanderzudröseln. Beim Trinken ist es irgendwo zwischen Fruchtsaft und Trockenpflaumen, praktisch ohne Tannin inzwischen, mit ein paar Colaflaschen von Haribo und Rauch. Es ist, beziehungsweise jetzt war, meine einzige Flasche. Und wenn du auch eine besitzt und geduldig bist, dann würde ich noch ein bis zwei Jahre warten glaube ich. Oder man gibt dem Wein wie wir mehr als einen Abend Zeit sich zu entwickeln. Dann wird man für den Kampf mit der Kapsel reichlich belohnt.

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