12.5.2024

Zwei Flaschen Seckinger

Vom Weingut Seckinger aus der Pfalz trinken wir eine Flasche Nero 2021 und eine Flasche Solera in Paradise, die mehr als einen Jahrgang enthält.

Ob Fuchs oder Hund, das darf jeder für sich selber entscheiden (Hund natürlich). Fünf Punkte sind da auf jeden Fall auch zu sehen, wenn auch ein bisschen kleiner als auf den anderen Weinen der Seckingers. Jonas, Phillip und Lukas machen immer noch Wein in der Pfalz, das hat sich seit der letzten Flasche hier nicht geändert. In Weiß und in Rot gibt es den Nero inzwischen und wir trinken heute die rote Variante aus dem Jahr 2021. Hinten auf dem Etikett steht Nouveau, drin ist aber kein Gamay sondern Spätburgunder. Dieser macht aber ganz ähnlich wie im Beaujolais spontan eine macération carbonique, also eine intrazälluläre Gärung im Stahltank durch. Fertig sind da dann nur knapp über 10% Alkohol in der Flasche, also ein perfekter Wein für jetzt, wenn die Sonne das Dachgeschoss wieder in Richtung Saunatemperaturen drückt. Der Solera in Paradise nahm seinen Ursprung in einem vergessenen Fass Weissburgunder. Mangels Wiederauffülung hatte sich auf dem Wein Hefe gebildet. Zur Weinrettung füllten die Drei dann im Solera-Stil mit dem nächsten Jahrgang nach, so dass in dieser Flasche jetzt Wein aus den Jahrgängen 2018 bis 2021 schwimmt.

Da das Essen gerade schon auf dem Tisch steht, starten wir mit Rot. Es gibt Nudeln mit roter Soße und das ist eine himmlische Kombination. Der Wein dürfte so ziemlich genau in der Mitte zwischen Kühlschrank und Raumtemperatur liegen gerade und das dürfte so die ideale Trinktemperatur sein. Da ist Kirsche, ein bisschen ein Stinker, etwas Reduktion und viel Frische. Ich wiederhole mich, aber zu roter Pasta ist das verdammt lecker. Und damit ist dann eigentlich auch schon alles erfüllt, was dieser Wein können soll.

Solo, also so ganz ohne Essen, ist da ein bisschen milchsauer fermentiertes Radieschen in der Nase. Lustig, dass diese Laktik zum Essen überhaupt nicht da war. Jetzt dominiert sie das Glas, verlüftet sich aber schnell. Dahinter kommt dann wieder die Kirsche, etwas Rauch und noch mehr rote Beeren. Und ganz weit dahinter sind ein paar grüne Paprika und Sandelholz. Da ist praktisch kein Tannin im Wein und überhaupt ist da kaum Widerstand. Man trinkt das halt so weg, in großen, nein, sehr großen Schlucken. Mit Luft kommt dann immer mehr Würze dazu. Das ist schon auch schön so, aber so richtig geil war das zu den Nudeln.

Fleischig-milchsauer-fruchtig geht es auch in Tag 2. Also praktisch unverändert. Die “Wir trinken keinen Wein, der einfach nur lecker ist”-Fraktion muss sich jetzt warm anziehen, weil das ist wirklich sehr, sehr lecker. Man darf nur nicht allzu allergisch auf Funk im Wein reagieren, weil so ein bisschen wild ist der natürlich schon auch. Irgendwie ein Sommerwein, und das obwohl wir noch gar keinen Sommer haben.

Der Solera ist dann ein ziemlicher Tapetenwechsel. Sehr nussig in der Nase, ein bisschen Zitronengras und auch wild, aber anders. Da ist super viel Struktur und alles ist ganz dicht zusammen. Frucht findet man erstmal nicht wirklich dazwischen. Das könnten tatsächlich ziemlich viele Rebsorten sein. Auf der Flasche steht auch Weißweincuvée und nicht Weissburgunder, aber ich weiß gar nicht, ob das nicht nur der Herstellungsart geschuldet ist, was man dann noch auf die Flasche schreiben darf, und ob es sich eigentlich doch um reinsortigen Weissburgunder handelt. Hier überwiegt auf jeden Fall das Weinmachen die Rebsorte und auch die Herkunft. Was ja per se nicht schlimm ist. Und auch die Jahrgänge verwischen immer weiter, wenn immer mehr davon im Fass zusammen geschmissen werden. Genauso strukturiert wie in der Nase geht es auf der Zunge dann weiter. Die Säure kratzt leicht an der Unsauberkeit vorbei, hat viel Biss und zieht sich so richtig durch die Textur. Das braucht ein bisschen Zeit, im Glas und auch im Trinker.

Und auch hier tut sich über Nacht erstaunlich wenig erstmal. In diesem Fall ist das für mich aber positiv, weil das, was da auf Messers Schneide rumsäuert dann doch öfter mal in Richtung Kombucha abdriftet, der vier Monate von der Mittrinkerin in der Küche vergessen wurde. Hier tut es das nicht. Ich mag total wie der Wein riecht. Diese Nussigkeit zusammen mit der Frische, ein bisschen Erkältungstee, ein bisschen Zitrus. Vielleicht ist es wirklich einen Touch cremiger als am ersten Abend. Aber dann krallt sich der Wein so stark hinten in den Gaumen, dass man jede Cremigkeit sofort wieder vergisst. Das ist extrem spannend. Aber das letzte Glas des Abends ist dann doch wieder der Nero.

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