19.1.2025

Zwei Flaschen Cyprien Lireux

Es gibt noch ein bisschen mehr vergorenes Streuobst. Von Cyprien Lireux aus der Normandie trinken wir eine Flasche Parcimonie und eine Flasche Premices, beide Jahrgang 2023.

Auf einem Holztisch stehen zwei Flaschen Fruchtschaumwein von Cyprien Lireux. Auf einem der Etiketten zapft jemand an einer übergroßen Birne ein Glas Poiré. Im Hintergrund sind ein Weinglas und ein Bücherstapel zu sehen.

Wir sind auf den Apfel gekommen, oder auf die Birne. Und so trinken wir noch ein bisschen weiter vergorenes Streuobst. Alkoholfrei wird es in diesem Januar demnach nicht mehr. Es bleibt aber leicht. Alkoholfrei ist trotzdem ein gutes Stichwort. Bei der Recherche und Stöberei zu den beiden Flaschen Muri in der letzten Woche, war ich überrascht, wie viel Auswahl es inzwischen gibt. Es gibt komplette Webshops nur mit alkoholfreien Alternativen und zumindest Etiketten malen die Hersteller der Alternativen mindestens genauso Schöne wie die üblichen Naturweinverdächtigen. Die Gefahr, dass die Flasche dann mäuselt oder nachgärt dürfte sich in Grenzen halten, ob es aber lecker oder einfach nur hip ist? Wer weiß. Ich habe mir zumindest fest vorgenommen da dieses Jahr ein bisschen tiefer einzutauchen. Aber noch nicht heute. Heute trinken wir nämlich Normandie. Geographie ist nicht unbedingt meine Stärke und ich verwechsel auch gerne mal hier mit da und da mit dort. Wo die Normandie ist, kann ich mir aber relativ gut merken. Die Landung der Alliierten eben dort wurde ja in Film, Fernsehen und der Videospielerei oft genug verwendet. Und weil die Alliierten von irgendwo nach Frankreich fahren mussten und ich zumindest England mit ziemlicher Sicherheit auf einer Karte einzeichnen kann, finde ich auch die Normandie im Nordwesten Frankreichs. Das Pays d’Auge ist ein Gebiet in der Normandie in den Départements Orne und Calvados. Und zack sind wir beim Apfel. Ich hatte keine Ahnung bis gerade eben, dass Calvados ein Département ist, das macht aber als geschützte Herkunftsbezeichnung auch irgendwie Sinn. Um jetzt zu vermeiden das Unverständnis der Calvadosliebhaber noch größer werden zu lassen, sage ich lieber nicht, dass der für mich eigentlich bisher nur als sehr guter Ersatz für Applejack in Cocktails herhalten muss und belasse Calvados als innere Wissenslücke für irgendwann in der Zukunft.

Wenn man die Äpfel nicht brennt, dann kann man Cidre daraus machen, so wie Cyprien Lireux das tut. Der ist mit gerade einmal 24 Jahren frisch nach dem Abschluss im Jahr 2020 zurück nach Hause ins Pays d’Auge um von traditionellen Hochstämmen auf Streuobstwiesen Cidre und Poiré zu machen. Drei Jahre später kaufte er einen Hof mit samt den Wiesen und pflanzt neue Bäume. Immer mit dabei, die Hunde. Alle Früchte stammen von unbehandelten Bäumen aus der ganzen Region. Die Äpfel und Birnen werden von Hand geerntet und lagern dann für ein paar Wochen in Holzkisten bevor sie gemahlen und abgepresst werden. Es wird komplett spontan vergoren und ohne Schwefel oder Zusatzstoffe gefüllt. Natural-Cider also. Wir probieren zwei Flaschen von Cyprien: Der Parcimonie 2023 ist eine Cuvée aus vielen, alten französischen Apfelsorten, die ich zum größten Teil bisher noch nie gehört habe. Darunter Frequin Rouge, Boudin, Douce Moen, Petit Jeanne und Douce Coelinier. Die Hefe wird bei um die 40 Gramm Restzucker abgefiltert bevor es zur zweiten Gärung auf die Flasche geht. Der Prémices, ebenfalls 2023, wird aus mehreren alten Birnensorten hergestellt von Bäumen, die schon über 200 Jahre auf dem Buckel haben. Er wird ebenfalls spontan vergoren und ohne Schwefel oder Zusatzstoffe gefüllt. Ganz nebenbei hat der Prémices eins der schönsten Poiré-Etiketten spendiert bekommen, die ich kenne. Und das ist ja auch wichtig.

Der Parcimonie schafft die Balance zwischen Intensität und Eleganz. Klar, das ist ein bisschen mostig, ist ja am Ende auch Apfelmost mit Blubber, aber das ist gleichzeitig so sauber, so klar, so fruchtig einfach. Da sind Äpfel, etwas Würze und dann mit Luft geht der Geruch immer mehr in eine ätherisch duftige Richtung. Beim Trinken hat man mürbe Äpfel auf der Zunge, Würze und viel Frische. Und das bleibt dann einfach liegen. Schön ist das. Ich tue mich immer schwer bei Cidre besonders viel Aromentiefe auseinanderzusezieren. Es ist eben doch kein vergorener Traubensaft. Das heißt aber nicht, dass keine Tiefe da ist und es heißt erst recht nicht, dass es weniger schön ist als Traubensaft. Denn der hier, der ist sehr, sehr schön.

Der Prémices startet überraschenderweise mit mehr Zug. Das riecht schlanker, irgendwie sehniger und viel kühler in der Frucht. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde es sich auf weniger Raum konzentrieren, enger zusammenrücken um dann aber mit mehr Zug durch die Nase zu ziehen. Wie viel Energie da dann aber auf die Zunge gedrückt wird, darauf bereitet die Nase nicht vor. Das hat enorm viel Kraft, ist trotzdem fein, elegant und es strahlt irgendwie. Ob ich blind auf Birne kommen würde, keine Ahnung. Reinen Birnenschaumwein habe ich fairerweise aber auch noch nicht so richtig oft getrunken. Oft ist es eine Mischung oder eben Apfel. Mostbirnen sind vielleicht genau deswegen total spannend. Sie entwickeln viel Zucker, gleichzeitig auch viel Gerbstoff, sind nicht so richtig stabil nach der Ernte und sie sind vor allem enorm viel Arbeit. Denn mit den großen Birnen vom Markt haben die meisten Mostbirnen nichts gemein. Wobei das dem typischen Mostapfel ganz genauso geht. Da steckt einfach richtig Arbeit drin. Im Auflesen, im Verarbeiten. Der Prémices ist ganz, ganz anders als der Parcimonie. Und nicht nur weil das eine Apfel und das Andere Birne ist. Wer wird denn da vergleichen wollen. Den Prémices im Sommer auf der Terrasse, den Parcimonie im Winter am Kamin. Oder einfach mehr kaufen und im Sommer beide trinken und im Winter auch. Unsere sechs Flaschen zumindest haben nicht lange genug gehalten um den Sommer noch zu erleben.

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