Georg Breuer - Berg Schlossberg 2017
Wir wechseln das Anbaugebiet und trinken eine Flasche Berg Schlossberg 2017 vom Weingut Georg Breuer aus dem Rheingau.

Der Rheingau wird hier im Blog noch ein bisschen mehr vernachlässigt als die Nahe. Da passt es gut, dass ich diese Flasche aus dem Rheingau schon lange aufziehen wollte, denn wir trinken weiter gereiften Riesling. Oder zumindest angereiften Riesling. Der Kommentar der letzten Woche, dass gereift etwas ganz Anderes ist, der wird auch hier kommen. Und das ist okay, denn technisch gesehen ist das sicher so. Aber ich bleibe auf meinem Hügel und bei der Behauptung, dass acht Jahre alter Weißwein für viele Weintrinken deutlich seltener ins Glas kommt als man das in der Blase, in der wir sind, sonst annehmen würde. Und auch, dass viele ähnlich bepreiste GGs schon nach kürzerer Zeit auf den absteigenden Ast wechseln. Diese Flasche könnte man vielleicht noch 20 Jahre liegen lassen. Vielleicht noch länger. Wobei ich ehrlicherweise dem Stück Baumrinde, das ich da aus dem Flaschenhals geangelt habe, keine 20 Jahre zutrauen würde. Dem Wein allerdings schon, aber ich greife vor. Ich hoffe für die, die den Wein noch im Keller haben, dass der Schein beim Korken trügt und er durchhält. Vom Weingut Georg Breuer hatten wir von ein paar Jahren schonmal den Berg Rottland aus 2018 im Glas. Aber wenn man ehrlich ist, dann ist, auch wenn der Nonnenberg hier und da als heimlicher Star auf den Sockel gehoben wird, die Unterteilung im Hause Breuer ziemlich eindeutig: Es gibt den Berg Schlossberg und es gibt den ganzen Rest. Und der Berg Schlossberg ist und war einer dieser Weine, die man, wenn man Riesling trinkt, irgendwo sagenumwoben mal aufgeschnappt hat. Die Zweitmarktpreise waren schon als ich diese Flasche zum damaligen Listenpreis knapp unter 60 Euro ergattern konnte, lässig dreistellig und inzwischen sind die Weingutpreise da herangezogen. Das hat zwei Effekte für mich. Zum Einen habe ich ein bisschen Angst davor, den Korken aus der Flasche zu ziehen, denn wenn kaputt, dann kaputt und es gibt keine zweite Flasche und es wird diese auch nicht geben. Zum anderen wird es ob der angezogenen Weingutspreise den aktuellen Jahrgängen ganz genauso ergehen. Es wird also mal wieder ein Einmalerlebnis, wie so oft, und tatsächlich hat das einen ganz eigenen Charme.
Der Rüdesheimer Berg Schlossberg liegt westlich von Rüdesheim, kurz bevor der Rhein einen Knick macht, direkt am Fluss mit Blick gen Süden. So können die Reben auf der gegenüberliegenden Seite auf Weinberge der Region Nahe und Weinberge der Region Rheinhessen schauen. Mehr Weindreiländereck geht nicht und zu allem pitoresken Überfluss steht da auch noch die Burgruine Ehrenfels im Weinberg. Die Reben wachsen hier auf Quarzit und Schiefer, die zusammen mit dem Fluss und der steilen Hanglage das Mikroklima prägen. Der Wein wird in alten Stück- und Halbstückfässern ausgebaut.
Wie schon erwähnt, war der Korken, nennen wir es schwierig. Aber er hat gehalten. Und das erste mal Riechen lässt einen dann erleichtert grinsen. Da ist am Anfang ganz viel Pfirsich und dann kommen Kräuter, Stein und diese subtile Art Cremigkeit, die einen anstupst und sagt, hey, ich bin übrigens schon eine Weile in der Flasche. Und dann lässt der Riesling die Lippen so salzig zurück, dass man sich nicht sicher sein kann, ob man gerade am Meer steht. Für mich bleibt das einer der verrücktesten Geschmackseindrücke den vergorener Traubensaft so entwickeln kann und einer, der mich jedes mal wieder mitnimmt. Der Wein ist frisch, knackig mit lebendiger Säure, die aber nicht aufdringlich wirkt und weit hinten auf der Zunge verschwindet er mit einem minimalen Bitterton. Ganz anders als die letzten beiden Flaschen in dieser Reihe. Denen ist beiden die Salzigkeit abgegangen und der Schlossberg wirkt irgendwie auch karger, unnahbarer, dichter zusammen aber gleichzeitig mindestens mit genauso viel Länge. So als würde der Wein auf weniger Platz stattfinden, diesen Platz aber viel intensiver ausnutzen. Da trägt das Gefühl auf dem Wein herumkauen zu können sicher seinen Teil dazu bei. Ein beeindruckend guter Riesling ist das, der einen zumindest nachvollziehen lässt, warum er den Status hat, den er hat.
Mehr Luft bringt mehr Frucht in den Wein. Da ist inzwischen Mango und Aprikose, die reif wirken, nicht im Sinne von Alter im Wein, sondern im Sinne von lange am Baum gehangen. Der Wein schmeckt auch mit mehr Luft kein bisschen älter, aber deutlich verändert. Die extreme Salzigkeit wird weniger, die Frucht gleicht das mehr aus und auf Kosten der extremen Spannung gewinnt er sowas wie Behaglichkeit. Ob das besser oder schlechter ist, ich will es mir gar nicht überlegen.
Und diese Entwicklung setzt sich auch über Nacht fort. Es wird noch cremiger, weicher, etwas weniger karg und ganz weit hinten auf der Zunge meint man dann doch die Reife in Form einer Ecke Butterkaramel ertasten zu können. Es ist, ich bin ehrlich, nicht die Entwicklung, die ich erwartet hätte. Dass ein so extrem steinig, salziger Wein zu so etwas wie Wohlfühlriesling wird, ich hätte es nicht für möglich gehalten. Die Meeresluft verschwindet nie ganz, aber Frucht, Stein, Salz und Kräuter haben es geschafft, ein perfekte Gleichgewicht herzustellen. Jeder Schluck beeindruckt.
Ich habe keine Ahnung wie typisch oder untypisch das für einen Breuer Schlossberg ist. Und machen wir uns nichts vor, ich werde es mit ziemlicher Sicherheit niemals herausfinden. Das hier ist, viel mehr als was ich meist sonst so schreibe, eine Momentaufnahme, ein Festhalten einer Flasche, die nicht wieder kommt. Das ist, noch ein bisschen mehr als sonst, vor allem für mich selber. Denn was ich jetzt weiß, ist, dass acht Jahre trotz krümeliger Baumrinde nur die Kinderstube waren für diesen Wein. Ich weiß (wieder), wie großartig Riesling sein kann und leider weiß ich auch, dass Hype manchmal zumindest ein bisschen gerechtfertig ist. Und ich weiß ebenso wieder, dass ich nicht traurig bin, ob der einen Flasche, die ich so häufig nur habe. Dass es okay ist, wenn die dann leer ist. Und das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis heute.