Zwei Flaschen Bachelet
Wir trinken zwei Flaschen Pinot Noir aus dem Burgund vom Weingut Jean-Claude Bachelet: Einen Chassagne-Montrachet Le Concis des Champs 2019 und einen Saint-Aubin 1er Cru Derrière la Tour aus 2021.

Ob wir besonders chaotisch sind? Keine Ahnung. Ich glaube ja, dass jeder, der anfängt mehr als drei Flaschen Wein käuflich zu erwerben das Problem kennt. Es gibt Kartons, die räumt man nicht aus, sondern stellt sie nur von hier nach da und von da nach dort. Und dabei werden sie so ein bisschen zu einem liebgewonnenen Mitbewohner, der mal im Flur, mal im Schlafzimmer und mal neben der Couch steht. Wo man halt gerade nicht entlang muss. Und wenn so ein Mitbewohner sich zu lange eingenistet hat, dann vergisst man vielleicht, was man eigentlich aus dem Karton ausräumen wollte. Stört ja auch nicht, da neben der Couch oder im Schlafzimmer oder Flur. Die beiden Flaschen heute waren Inhalt genau so einer Kiste, die immer ein bisschen aber nie genug im Weg stand und ich fast vergessen hatte, dass es diese beiden Flaschen gibt. Umso schöner, wenn man dann doch mal rein schaut.
Auf etwas über 10 Hektar bauen Jean-Claude Bachelet und seine Söhne Benoît und Jean-Baptiste, die inzwischen fürs Weingut verantwortlich sind, Wein im Burgund an. Dabei können die Bachelets auf eine Tradition bis ins 17. Jahrhundert zurückblicken und sind damit so ein bisschen der Gegenentwurf zum hippen Quereinsteiger. In diesen 10 Hektar bringen sie dabei über doppelt so viele Lagenbezeichnungen unter und haben entsprechend viele verschiedene Weine im Angebot. Die Weinberge werden ökologisch bewirtschaftet und die Weine für längere Zeit im Holz ausgebaut. Der Wein aus Chassagne-Montrachet wächst in der Lage Le Concis des Champs an zwischen 40 und 60 Jahre alten Reben und ist aus dem Jahr 2019. Der Wein aus Saint-Aubin wächst in der Lage Derrière la Tour an einem für hiesige Verhältnisse steilen Hang mit Blick gen Süden und ist aus dem Jahr 2021. Die Lage ist als Premier Cru klassifiziert.
Wir starten mit dem älteren Wein aus Chassagne-Montrachet. Der hat viel dunkle Frucht, Kirsche, schwarze Beeren und dahinter ein paar Gewürze. Mindestens so viel Frucht wie man schon in der Nase hatte schafft es dann auch auf die Zunge. Die wird anschließend allerdings von überraschend viel Säure abgeräumt, womit ich ehrlicherweise nicht gerechnet hätte nach so viel, fast schon süßer Frucht. Ganz weit hinten sagt dann auch noch eine kleine Portion Gerbstoff Hallo, die ist aber ziemlich zahm. Der Wein ist einer dieser Weine, die man einfach gerne trinkt. Da ist viel Wein, die Frucht ist total dicht schon in der Nase und man hat das Gefühl, dass die Viskosität ein bisschen höher ist als sonst. Ein Wohlfühlwein. Der, ebenfalls zu meiner Überraschung, so gar nicht zu Fleischragout auf Tomatenbasis und Pasta funktionieren möchte. Es wird dann richtig schnapsig und schmeckt auch irgendwie komisch. Man lernt nie aus und bis nach dem Essen mit dem restlichen Glas zu warten ist ja auch kein Problem.
Es bleibt sehr ähnlich an Abend zwei und die Dinnede begleitet er sehr viel souveränder als die Pasta. Es wird erdiger in der Nase, gedeckter, verliert aber im Grundsatz nichts, was da am ersten Abend schon war. Dunkle Beeren, Gewürze und dann viel Zug, der vor allem aus der Säure kommt und kaum aus dem Tannin. Wo viele Pinots eher auf die karge, mineralische Ader getrimmt werden, mag so ein Wein mit viel Frucht und Intensität dem einen oder anderen Zeitgeist eventuell zuwider laufen. Aber so lecker wie das einfach ist, es könnte mir nicht egaler sein.
Der Saint-Aubin ist insbesondere beim ersten Schluck ein ziemliches Kontrastprogramm. Wo man gerade noch von Frucht sanft eingelullt wurde, reißt einen der leicht animalisch-reduktive Stinker ruppig zurück in die Realität. Das ist deutlich schlanker, kühler und viel fokussierter. Wie schon der erste Wein transportiert er alles aus der Nase auf die Zunge. Die Säure fühlt sich viel direkter an, ein bisschen aggressiver vielleicht. Das mag auch daran liegen, dass viel weniger Frucht vornweg kommt. Dahinter dann wieder Struktur und Würze. Ich mag das Wilde ja mindestens genauso sehr wie den Wohlfühlwein davor. Und so richtig wild bleibt er sowieso nicht lange. Mit Luft wird aus dem Stinker schnell viel frische Himbeere, die aber immer kühler und reduzierter bleibt im Vergleich zum ersten Wein.
So bleibt es auch an Abend zwei. Sehnig, kühl und etwas ruppig in der Nase. Mit Kirsche, Himbeeren und Stein. 2021 war im Burgund wohl klimatisch ein recht durschnittliches Jahr, was dann aber zwischen den unglaublich warmen und trockenen Jahren drum herum inzwischen ein merklicher Ausschlag nach unten ist. Und 2019 war eben besonders warm und trocken. Und dieser Unterschied der Jahre passt in dem, was ich mir vorstelle, was das jeweilige Wetter mit den Weinen macht so gut zu dem, was ich schmecke, dass ich das einfach komplett darauf schiebe. Und der Unterschied ist schon ziemlich enorm. 2019 ist Sofa, Fernseher an, Kopf aus. 2021 braucht Aufmerksamkeit, der rüttelt an mir, zieht hier ein bisschen, drückt dort ein wenig. Da hängt man nicht nur die Nase ins Glas und fängt das Grinsen an, da muss man selber auch da sein. Spannender ist sicher 2021 aus Saint-Aubin, aber besser ist er dadurch eben nicht. Und um zu urteilen welcher besser reifen wird oder auch nur eine ungefähre Richtung zu erahnen, dafür fehlt mir mit Burgundern immer noch deutlich die Erfahrung. Dass zwei Weine vom selben Produzenten, aus der selben Rebsorte so verschieden sein können, dass Jahrgang und Lage so viel Einfluss haben, dass das Produkt Wein so viel hergibt und man selbst auf so engem Raum so viel entdecken kann. Es ist immer noch faszinierend.
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