Zwei Flaschen Trinkender Zobel
Diese Woche trinken wir zwei Flaschen vergorenes Streuobst vom Trinkenden Zobel aus Saale-Unstrut: Einen Apfelschaumwein Brut Nature 2023 und einen Whoosh PetNat, ebenfalls 2023.

Schon im Januar habe ich angedroht, mehr vergorenes Streuobst zu trinken. Und überhaupt sage ich ständig, dass ich auch mehr aus den neuen Bundesländern probieren will. Die Flaschen heute sind die perfekte Gelegenheit, diese beiden Vorsätze zu verbinden. Und auch gegenüber am Tisch wird zufrieden gegrinst, denn um es wirklich komplett zu machen, klebt da auch noch ein Tieretikett auf der Flasche. Verrückt. Franziska Zobel ist Winzerin, fängt aber gleichzeitig an, umliegende Streuobstwiesen zu pflegen, alte Bäume zu schneiden, nachzupflanzen, wo nötig, und alte Sorten wieder in den Bestand zu bringen. Denn Streuobstwiesen sind wichtig, sie sind Kulturlandschaft, hier in unserer Gegend am Albtrauf sogar die prägende Kulturlandschaft, und auch ein ökologischer Rückzugsraum für viele Tiere und Pflanzen. Mit um die zwei Hektar pflegt Franziska da ein gutes Stück mehr als wir selber mit unserer kleinen Wiese. Aber auch unsere kleine Fläche reicht schon, dass ich mich in die Motivation, warum man sich das antut, komplett hineinversetzen kann. Und irgendwie macht das die Verbindung zu vergorenem Streuobst wirklich zu einer anderen im Vergleich zu Wein aus Trauben. 2017 fängt sie dann an, aus den Äpfeln und Birnen Schaumwein herzustellen, erst nur für sich und Freunde und Bekannte. Dann ab 2021 unter dem Label Trinkender Zobel. Die Manufaktur liegt in Obschütz und, ich bin ehrlich, ich musste erstmal Maps befragen, wo das eigentlich ist. Ein kleines Stück östlich von Freyburg (Unstrut) ist es, aber auch da ist, obwohl ich die ein oder andere Weinlage schon mal gehört habe, eher ein weißer Fleck auf der inneren Landkarte. Wir arbeiten dran, das zu ändern.
Die Wiesen werden ökologisch gepflegt und auch nur zwei- oder dreimal im Jahr gemäht, um den Blumen Zeit zu geben, sich selbst wieder auszusäen. Das Obst wird nach der Ernte eingemaischt und spontan vergoren und kommt dann ohne Filtration zur zweiten Gärung in die Flaschen. Zumindest bei den meisten Sorten, denn der PetNat Whoosh wird mittels Méthode Rurale hergestellt, bei der der schon gärende Most direkt auf die Flasche gezogen wird und in einer einzigen Gärung den Blubber in die Flüssigkeit bringt. Die Cider werden aus einer Mischung verschiedener Apfelsorten wie Kaiser Wilhelm, Boskoop, Goldparmäne, Trierer Weinapfel und einigen mehr hergestellt. Was eben so da ist in jedem Jahr. In der Variante vor uns auf dem Tisch ist der Apfel komplett durchgegoren und ohne Dosage als Brut Nature gefüllt. Der PetNat besteht neben den Äpfeln noch aus Birnen und einem Teil Quitte. Außerdem gäbe es noch Varianten mit Kirsche (sehr gut, weil nur dezent kirschig) oder Holunderblüten (steht hier noch und wartet darauf, getrunken zu werden). Im Alkohol liegen alle zwischen 6 und 8 Volumenprozent und alle Flaschen dürfen mindestens ein halbes Jahr auf der Hefe reifen.
Der Whoosh macht zum Glück nur gewaltig laut Plopp. Einen kurzen Moment hatte ich nämlich Angst, dass er seinem Namen alle Ehre machen will, er entscheidet sich dann aber dafür, in der Flasche zu bleiben. Danke dafür an dieser Stelle. Riechen tut er nach einer Mischung aus Honig, Äpfeln und Birnen. Ein bisschen wild und ein kleines bisschen seifig, wie das Quitte eben so an sich hat. Ich mag das aber gerne und bin auch großer Fan von reinsortigen Quittenschäumern. Gibt es nur leider nicht so oft. Das trinkt sich dann total klar und unkompliziert, und das obwohl richtig Zug hinter der Säure ist. Die Frucht schafft es irgendwie, genug Gegengewicht zur Brut-Nature-Säure aufzubauen, sodass man entspannt vor sich hintrinken kann. Je öfter ich sowas im Glas habe, desto mehr frage ich mich, warum Cider eigentlich nicht viel mehr den Markt umkrempelt. Das ist doch hip ökologisch, ist lokal (okay, in dem Fall für uns nicht wirklich, aber ihr wisst, was ich meine), erhält die Kulturlandschaft, ist unglaublich lecker und hat dazu auch noch wenig Alkohol. Das müsste doch total den Zeitgeist treffen. Man kann nur hoffen, dass sich das noch ändert.
Der Apfel Brut Nature ist kompromisslos. Das wirkt kühl, fokussiert, und dann ist da richtig Zug auf der Zunge. Da braucht es einen kurzen Moment zur Akklimatisierung, aber dann macht sich auf der Zungenmitte langsam Apfel breit. Das schmeckt nach Fruchtfleisch, hat exakt die Struktur, als bisse man gerade in einen Apfel, hat Schale, Kerngehäuse und auch ein paar Stücke Zitrone. Und Blubber hat es, viel Blubber. Das führt dazu, dass man, je kleiner der Schluck ist, den man trinkt, mehr Apfel im Mund hat. Denn beim durstigen Hinlangen wird die Frucht irgendwie von Säure und Schäumerei davon gespült. Zumindest mein Geschmackssinn tut sich dann schwer mitzukommen. Also übe ich mich in Entschleunigung und trinke langsam Schluck für Schluck, oder vielmehr Schlückchen für Schlückchen. Das ist puristisch, aber nicht karg. Es strahlt total, ist unglaublich klar, frisch und fokussiert. Die feine Apfelfrucht, ein paar weiße Blüten, das Zitrische. Das ist schon eine tolle Kombination.
Falls das zu krass klingt: Der Brut ist auch lecker. Der durfte unsere (kurze) Tradition als Niedrig-Alkohol-Rausschmeißer bei unserer Viel-Wein-für-gar-nicht-mal-so-viele-Leute-Runde fortsetzen. War aber nach dem Probeschluck irgendwie dann schon halb leer. Keine Ahnung, wie das passieren konnte. Überhaupt sind die aufgerufenen um die 12 Euro für so ein Getränk ja irgendwie viel zu günstig. Und um alleine davon leben zu können, reicht die Produktion wohl auch nicht aus. Aber es ist eben auch ein gigantischer Schritt nach vorne im Vergleich zum Abliefern der Früchte bei der Mosterei im Nachbardorf. Denn die Preise, die da gezahlt werden, die treiben einem wirklich die Tränen in die Augen. Also trinkt mehr Cidre. Der Trinkende Zobel ist ein guter Tipp, um damit anzufangen.