Henri Richard - Aux Corvées 2021
Wir trinken eine Flasche Pinot Noir Aux Corvées 2021 aus Gevrey-Chambertin von Henri Richard.

Fast nur Typographie auf ganz viel weißem Grund, das mag ich ja. Das mag ich bei Wasenhaus, das mag ich bei Lassaks und auch bei dieser Flasche hatte das Aussehen einen merklichen Anteil an der Kaufentscheidung. Einen größeren Anteil hatte wohl auch der Rabatt im Ausverkauf von über einem Drittel. Den Schwaben wird man nie aus mir herausbekommen und das ist gut so. Der verbleibende Teil ist der Grund, dass die Flasche irgendwie nach großem Burgunder aussieht und Gevrey-Chambertin drauf steht. Das muss im Burgund aber schließlich nicht viel bedeuten, denn es ist vermutlich nirgends so einfach viel Geld für gar nicht mal so viel Wein auszugeben. Und fairerweise ist auch dieser Wein im restlichen Preisgefüge der Domaine eher Einstieg. Burgund eben und ich kann gut damit leben, dass in dieser Preiskategorie für mich dann die Grenze erreicht ist.
Das Weingut wurde in den späten 30er Jahren des letzten Jahrhunderts von Jean Richard gegründet. Der Name dessen Sohn Henri steht bis heute auf den Flaschen, die zum ersten mal in den 70ern gefüllt wurden. 2005 wurde auf Bio umgestellt, 2018 auf Biodynamie. Nach Henri Richard übernahm dessen Tochter Margaret zusammen mit Schwiegersohn Jean Bastien. Seit 2013 sind in der nunmehr vierten Generation die Geschwister Richard Bastien und Sarah Bastien-Berthier für das Schicksal der Domaine verantwortlich. Ich will gar nicht wissen, wie oft Richard mit seinem Nachnamen als Vornamen angesprochen wird und eben anders herum, denn Richard steht schließlich auf der Flasche. Außerdem ist noch Önologe Guillaume Berthier mit an Bord. Die Domaine sitzt bis heute in Gevrey-Chambertin an der Côte de Nuits. Aux Corvées liegt direkt östlich des Örtchens und westlich des Weinguts. Die Trauben werden spontan mit etwa der Hälfte an ganzen Trauben vergoren und dann für circa ein Jahr im Barrique ausgebaut.
Die ersten Momente riecht man eigentlich nur Kirsche im Wein. Es braucht so eine halbe Stunde bis sich das ändert und das Aroma langsam immer mehr Tiefe bekommt. Dann kommen alte Bücher, etwas Leder, Kräuter, Kirschkernkissen, Vanille und Veilchen. Die Kirschen erinnern inzwischen mehr an Sirup als an frische Früchte. Der Wein wird mit Sauerstoff immer dichter, komplexer. Das Tannin ist samtig weich, legt sich auf die ganze Zunge, den Gaumen und eigentlich überall hin. Nur an den Zungenrändern spürt man die Säure, die versucht gegen Frucht und Gerbstoff anzukommen. Das ist einer dieser Pinots, der von Harmonie und Tiefe lebt und nicht von karger Steinigkeit und Zug. Die Kirsche ist beim Schmecken mindestens genauso schön wie schon beim Riechen, liegt genauso lange wie der Gerbstoff noch auf der Zunge und wird dann ganz zum Ende hin mehr Kern als Fruchtfleisch. Das ist so unaufgeregt und mühelos dabei, dass man aufpassen muss, den Wein nicht wie Kirschsaft in großen Schlucken verschwinden zu lassen. Dabei mag ich Kirschsaft gar nicht mal so sehr, der ist mir oft zu süß. Das Problem gibt es hier nicht.
An Tag Zwei gesellt sich eine erdige Note zu all dem, was am ersten Abend schon vorhanden war und macht das Pinot-Erlebniss komplett. Der Wein ist kerniger geworden über Nacht, weniger schmeichelhaft, weniger anschmiegsam. Aber den Anteil an verschwundener Harmonie holt er mit Zug und Säure wieder raus. Da ist mehr Kraft jetzt, mehr Kante, noch mehr Dichte. Da ist Steinobst in Likörform, etwas Ätherisches und mehr Säure. Er wirkt schlanker jetzt, saftiger, kerniger. Zupackend wird das Tannin dabei aber auch heute abend nicht. Eigentlich passiert diese Entwicklung ja oft anders herum, der erste Abend hat oft den Zug, der Zweite die Harmonie. Hier ist es umgekehrt. Stören tut mich das nicht, es fordert höchstens mehr Aufmerksamkeit. Das Leder ist verschwunden, die alten Bücher auch, dafür die kräuterige Ätherik, das Duftigere, mehr die Andeutung von Frucht als tatsächliche Kirsche. Der selbe Wein und doch ein anderer Wein. Wo es die nächsten Jahre hin geht in Sachen Entwicklung, ich werde es nicht herausfinden können. Wie so oft das Schicksal einer Einzelflasche. Aber auch das stört mich wie meistens nicht. Zu gut sind diese beiden Abende mit dieser Flasche gerade.