Zwei Flaschen Gaël Petit
Wir trinken zwei Weine aus dem Süden Frankreichs von Gaël Petit: Einen Tavel Les Falaises de Braise Rosé 2022 und einen Lirac Edmee 75 Helene 25 aus 2020.

Ständig predige ich, dass man über den eigenen Tellerrand hinaustrinken soll. Selber versuche ich das nämlich auch immer wieder. Denn wo Rotwein mit 15 Umdrehungen aus dem Süden noch einigermaßen in der Nähe des eigenen Weinhorizonts liegt, da ist Rosé mit fast ebensovielen Alkoholgehalt doch schon so weit weg, dass man ein Fernglas braucht. Und genau deshalb stehen die beiden Flaschen diese Woche auf dem Tisch. Okay, vielleicht wäre Winter die bessere Jahreszeit gewesen, aber so weit hat die Planung dann nicht gereicht. Tavel ist ein Dorf und eine Appelation an der südlichen Rhône, direkt südlich von Lirac gelegen, ebenfalls Dorf und Appelation. Deutlich bekannter zur geographischen Einordnung dürfte Châteauneuf-du-Pape auf der gegenüberliegenden Flusseite sein. Allerdings ist Tavel eine Appelation in der ausschließlich Rosé unter dem Label gefüllt wird und damit eine echte Rarität im Weinbau. Und um Süden mal in Perspektive zu setzen, am Kaiserstuhl haben wir in Deutschland um die 1800 Sonnenstunden im Jahr, Spitze hierzulande, und da im Süden Frankreichs sind es einfach nochmal 1000 mehr. Zugelassen für Weine in Tavel sind die üblichen Verdächtigen an der Rhône und in der Flasche Les Falaises de Braise landet eine Cuvée aus Grenache, Cinsault, Syrah, Mourvèdre, Bourboulenc und Clairette. Der Lirac wird aus Cinsault, Grenache und Syrah gekeltert. Beide Flaschen kommen von der Domaine Moulin la Viguerie, die Gaël Petit gehört.
Gaël Petits Familie ist in der Region seit dem 16. Jahrhundert verwurzelt. Er selbst hat das Weingut 1992 übernommen und schon nach wenigen Jahren angefangen, die Bewirtschaftung auf ökologische Landwirtschaft umzustellen. Seit 2008 füllt er Weine unter seinem eigenen Namen. Einen großen Einfluss auf die Art wie heute im Weingut Wein gemacht wird, hatte Eric Pifferling von der Domaine de l’Anglore, deren Flaschen ich zwar schon häufiger gesehen habe, die Gelegenheit selber mal eine Flasche aufzuziehen, hat sich aber bisher leider nicht ergeben. Und angesichts der Tatsache wie selten und gesucht diese Weine sind, wird das wohl auch so bleiben, aber wer weiß. Es folgt als eine Konsequenz aus diesem Einfluss die ökologische Zertifizierung im Jahr 2021. Etwa vier Hektar bewirtschaftet Gaël rund im Tavel und Lirac inzwischen. Die Trauben werden von Hand gelesen, spontan mit wilden Hefen vergoren und in gebrauchten Holzässern ausgebaut.
Der Tavel Rosé ist extrem schwer zu fassen. Sicherlich auch, weil Referenzpunkte in meinem Kopf für diesen Wein schlicht fehlen. Da ist Pfirsichlikör, viel Würze, alles wirkt eher dunkel und blind wäre das auf jeden Fall ein Rotwein. Nicht blind ist das aber auch so, wenn auch ein sehr heller in diesem Fall. Den Pfirsich schmeckt man auch, das erinnert an Tabak, etwas Erdbeere, Fruchtbowle mit vielen, dunklen Beeren. Das ist intensiv, dicht und kann den Alkohol zwar gut einbinden, verstecken kann der Wein ihn aber nicht. Er schafft aber eine Balance, so dass es nicht stört. Nur zu warm darf der Inhalt im Glas nicht werden, denn dann fängt die Balance langsam zu kippeln an.
Über Nacht passiert nicht viel. Die Aromatik bleibt gleich, die Balance aus Intensität und Alkohol ebenso. Ich mag die Würze und die Frucht sehr, aber gleichzeitig ist das einer dieser Weine, die man alle paar Monate einmal im Glas haben kann. Zumindest bei mir, denn gegenüber am Tisch wird der Tavel total gefeiert. Von da kommt auch der Hinweis, dass das ja total nach Dark and Stormy riecht und tatsächlich, wenn man mit dieser Idee im Kopf die Nase ins Glas hält, da ist was dran. Dazu Amaro, Beeren und die holzig, kräuterige Würze. Ein faszinierender Wein, bei dem ich um das Verlassen des Tellerrandes sehr froh bin.
Der Lirac ist aus Versehen mit im Kühlschrank gelandet und muss sich so erstmal akklimatisieren. Aber lieber zu kalt als zu warm, denn das behebt sich von alleine. Ganz kalt riecht das übrigens praktisch nur nach schwarzer Olive, zimmerwarm aber überhaupt nicht mehr. Da ist dunkle Frucht, Kirsche, dunkle Schokolade, Leder, Holz und ein paar Haribo-Kirschen. Im Mund zieht einem der Gerbstoff erstmal die Zunge wieder glatt. Säure, Frucht und salzige Würze bieten dem Tannin aber schnell die Stirn und führen tatsächlich dazu, dass das halbe Prozent mehr Alkohol deutlich besser versteckt wird als im Rosé. Eigentlich sind 15 % für mich Grund genug einen großen Bogen um die Flasche zu machen, aber irgendwie mag ich das gerade so. Die Struktur, die Frucht und die innere Wärme, die der Wein mitbringt, das ist richtig gut.
Der Lirac wird ätherischer am nächsten Tag. Da sind Eukalyptus und Kräutersträucher, die jetzt der Frucht das Spotlight stehlen. Ich mag das Mundgefühl, ich mag die Intensität und das Tannin, aber an diesem zweiten Abend fällt es dem Wein zunehmend schwer, die innere Wärme zu verstecken. Vielleicht ist das doch ein Wein für den Winter und nicht so sehr für einen warmen Tag im Spätsommer. Oder ein Wein zu einem Topf Schmorfleisch, oder einem Eintopf. Ebenfalls Dinge, die hier im Spätsommer nicht auf dem Tisch stehen. Heute wäre mir lieber, er würde die Lautstärke auf 10 statt auf 11 drehen. Aber ein Glas lang, ein Glas lang ist das auch heute wirklich schön.