Zwei Flaschen Seehaldenhof
Wir trinken zwei Flaschen Seehaldenhof vom Bayerischen Bodensee: Einen Müller-Thurgau und einen Spätburgunder aus 2023.

Exakt zwei Wochen ist es her, dass im ehemaligen Landtag der Landeshauptstadt der dritte Stuttgarter Landweintreff seine Türen geöffnet hat. Wir haben viel probiert und nicht so viel aufgeschrieben. Gar nichts aufgeschrieben um exakt zu sein. Dafür sind wir jetzt im Besitz einer zweiten Stofftasche mit glücklichem Henkelbecher und das ist ja auch was wert. Das Line-Up war relativ ähnlich zur zweiten Ausgabe im Vorjahr und gespickt mit den üblichen Verdächtigen, wenn es um Landwein und anderen interventionsarmen Traubensaft geht, sowie der einen oder anderen Neuentdeckung. Der Seehaldenhof steckt in der ersten Schublade und war 2024 schon am Start. Überhaupt tauchen die Weine aus und um Nonnenhorn, und nicht nur die vom Seehaldenhof, in letzter Zeit immer öfter hier und da auf. Vielleicht auch noch unter dem alten Weingutsnamen, Hornstein am See, der seit Anfang 2024 vom Namen Seehaldenhof abgelöst wurde. So ein bisschen mausert sich der Bodensee zum hippen Weinhotspot. Da fällt mir auf, dass es inzwischen schon über drei Jahre sind, seit Lanz (auch beim Landweintreff, auch super) hier das letzte mal getrunken wurde. Die Zeit, sie fliegt.
Beide Flaschen heute haben es übrigens durch die Qualitätsweinprüfung geschafft und so steht weder beim Müller-Thurgau noch beim Spätburgunder Landwein auf der Flasche. Was da aber steht, ist Württemberg. Zumindest hinten drauf. Vorne steht einmal Bayerischer Bodensee, der zwar im Bundesland Bayern liegt, weinrechtlich zu Württemberg gehört, als Herkunftsangabe aber deutlich mehr Sinn ergibt, denn Ort und Klima haben mit dem, was man sonst so als Württemberg trinkt, reichlich wenig zu tun. Lediglich um die 90 Hektar gehören zu diesem Gebiet am nordöstlichen Bodenseeufer bei Lindau, Wasserburg, Bodolz und eben Nonnenhorn. Beide Weine sind Gebietsweine und damit beim Seehaldenhof der Einstieg ins Sortiment. Die Trauben wachsen in Seenähe auf den Böden, die die Gletscher in einer der letzten Eiszeiten da zurückgelassen haben. Der Müller wird gepresst, spontan vergoren und dann in einer Mischung aus Edelstahl, großem Holz und kleinem Holz für ein halbes Jahr auf der Hefe ausgebaut bevor er auf die Flasche kommt. Der Spätburgunder wird ebenfalls spontan vergoren und dann für etwa eineinhalb Jahre im kleinen Holzfass mit nur wenigen neuen Fässern ausgebaut.
Wir starten wie üblich mit dem Weißwein. Der ist ein bisschen hefig, floral und mit einer bunten Mischung Kräuter in der Nase. Frucht sucht man in dieser kräuterig-blumigen Mischung erstmal vergeblich, aber das macht ja nichts. Das riecht schon irgendwie griffig, wirkt kühl, schlank und fokussiert und exakt so ist dann der erste Schluck. Kühl, fokussiert, glasklar und ebenfalls weit weg von Frucht. Höchstens die Säure, denn die erinnert an grüne Äpfel samt der Textur von Fruchtfleisch. Lecker ist das, wirklich brutal lecker ist das und dabei unerwartet ausdauernd. Stark.
Es bleibt auch am zweiten Abend vorwiegend ein hefig-kräuteriger Strukturwein, der aber einen Touch Kräuter gegen Melone eingetauscht hat. Die Säure ist da, aber eher im Hintergrund, es ist etwas cremiger jetzt, aber mindestens genauso lang und klar wie am ersten Abend. Und auch der grüne Apfel ist inzwischen mehr Melone im Aroma. Schön ist es immer noch. Müller-Thurgau hat seinen unglaublich beschissenen Ruf ja nicht grundlos. Und auch ich muss mein Hirn ganz ordentlich massieren um zu überlegen, wann ich selber mir das letzte mal hier am Esstisch einen Müller ins Glas gegossen habe. Vergeblich. Der letzte Reinsortige im Blog ist jetzt auch 3 Jahre her. Aber wer das für einen kurzen Moment hinten anstellt und einfach ignoriert, der muss diesen Wein probieren. Der eigene Horizont wird es einem danken.
Im Gegensatz zum Müller hat der Spätburgunder reichlich Frucht. Kirsche, viele rote, schon leicht matschige Beeren und dahinter dann die Würze. Und noch weiter hinten steht ein altes Ledersofa. Beim Trinken ist die Kirsche mehr künstlich als real und wer schlürft (so wie wir), den holt die Würze ein, die auch auf der Zunge dann wieder von Kirsche abgelöst wird. Das ist irgendwie unkompliziert ohne einfach zu sein, hat Zug, ist genauso klar wie der Müller, genauso geradlinig und mindestens so lecker. Wohl dem, der so sein Sortiment eröffnen kann und man versteht, warum diese Weine immer öfter auf dem Radar auftauchen.
Wo der Müller-Thurgau über Nacht die Frucht entdeckt, da passiert im Pinot das Gegenteil. Nicht, dass Kirsche und Beeren verschwinden würden. Aber sie treten einen Schritt zurück. Da ist jetzt Sandelholz, feuchte Erde und ein bisschen dunkle Schokolade. Der Wein wirkt eine Idee wärmer beim Trinken, schmeckt nach Waldbeerkuchen auf Schokoboden, süßen Kirschen und dunkler Würze. Das ist einfach richtig gut. Klar, die großen Weine sind größer. Das ist im Idealfall aber auch kein besonders hotter Take, denn wenn das Weingut weiß, was es tut, dann ist mehr hoffentlich immer mehr. Und hier weiß man was man tut und die Orts- und Lagenweine legen eine ordentliche Schippe oben drauf. Aber wie weit oben man hier ganz unten einsteigt. Das ist wirklich bemerkenswert.