14.9.2025

Peter Wagner - Oberrotweil Chardonnay 2021

Wir trinken aus Baden eine Flasche Oberrotweil Chardonnay 2021 von Peter Wagner.

Auf einem Holztisch steht eine Flasche Chardonny vom Weingut Peter Wagner. Im Hintergrund sind ein Weinglas und ein Bücherstapel zu sehen. Vor der Flasche liegt der Korken am Kellnermesser.

Nicht besonders viel an Wein ist objektiv. Wenn der Winzer ihn ins Labor schickt, dann gehe ich davon aus, dass das, was da zurück kommt bei mehr als einem Labor mehr oder weniger identisch ist. Kleine Abweichungen in den Proben mal hinten angestellt. Wo der Wein gewachsen ist, ist eindeutig bekannt. Zumindest dem, der ihn da geerntet hat. Wie das Wetter war im Jahr des Wachsens kann man herausfinden. Wenn eine Wetterstation nahe genug Messwerte aufgezeichnet hat. Wann die Trauben geerntet wurden und was genau im Keller passiert ist, das dürfte auch ziemlich exakt nachzuvollziehen sein. Also von dem, der im Keller zu Gange war. Wann es auf die Flasche ging, wann zum Händler und wann vom Händler zu mir. Wann ich die Flasche aufgezogen habe, wie warm oder kalt der Wein im Moment des Einschenkens ist, welches Glas verwendet wird und wie lange er hier herumstand bevor er geöffnet wird. Alles noch drin. Aber dann, dann wird es langsam dünn. Wie gut die Baumrinde das Flüssige drinnen behalten hat, das sieht man, wie gut sie das Gasförmige draußen gehalten hat, da wird es schon schwieriger.

Was letzten Endes aber wirklich, wirklich wichtig ist: Ist es lecker? Und das ist dann der Moment, in dem man die meiste Objektivität ganz entspannt über Bord werfen muss. Es fängt ja schon damit an, ob die falschen Pollen fliegen und deshalb die Nase zu ist. Oder Erkältung. Oder, Gott bewahre, Wurzeltag. Oben drauf kommen dann noch indirekte Faktoren, wie, wie gut gefällt mir das Etikett, habe ich heute gute Laune, mag ich den Winzer? Bei der Mittrinkerin reicht dazu oft ein alemannisches Reibeisen-Krch, aber den ersten Stein werfe ich da nicht. Bei mir ists halt das Schwäbeln. Peter Wagner hatte es also zumindest gegenüber am Tisch nicht besonders schwer bei der 7. Ausgabe Schmelz, Perlage & Bodensatz. Und nach so einem Abend, schmeckt der Wein dann besser? Schmeckt er besser nach einer Urlaubserinnerung, einem Besuch auf dem Weingut, einem guten Gespräch auf einer Messe? Abstreiten, dass es einen Einfluss hat kann ich nicht, und ich bin froh es auch gar nicht ausblenden zu müssen, denn schließlich verteile ich keine Punkte oder erhebe den Anspruch auf objektive Kaufempfehlungen. Ihr seid also gewarnt, denn den Wein heute (und auch sonst öfter mal) schenken wir mit guter Erinnerung ins Glas. Das wird nicht ohne Einfluss sein.

Peter Wagner hatten wir hier schonmal, allerdings nicht den Chardonnay, weshalb diese Auswahl nahe lag um das Rebsorten-Lineup einmal zu vervollständigen. Das Weingut darf, auch mit zwei Jahren mehr auf dem Buckel seit den letzten Flaschen, immer noch als jung bezeichnet werden. Die Reben für den Wein heute wachsen rund um Oberrotweil und auch das Weingut liegt in diesem Ortsteil von Vogtsburg. Vielleicht auch weil wir heute gerade von ein paar Tagen in Freiburg wieder kommen, erinnert mich das daran, dass wir da unbedingt auch mal ein paar Tage verbringen müssen. Die Ortsweine, also auch der Chardonnay aus Oberrotweil, bilden den Mittelbau der Qualitätspyramide. Die Trauben wachsen auf Löss und vulkanischen Böden und werden in gebrauchten Holzfässern für etwas unter einem Jahr auf der Vollhefe ausgebaut. Es wird weder geschönt noch gefiltert.

Der Wein riecht nussig und nach Stein. Da ist ein bisschen gelbes Kernobst, so richtig fruchtig ist er aber nicht. Da ist Würze und kurz etwas Alkohol, der dann von Pfirsich und Nektarine beim Riechen abgelöst wird. Es passiert schon in den ersten Minuten beim Schwenken viel mit dem Chardonnay. Er wird cremiger in der Nase, entwickelt dafür aber mit jeder Umdrehung im Glas mehr Zug auf der Zunge. Klar, knackig, geradeaus und viel karger im Geschmack als einen die Nase hätte vermuten lassen. Und dabei deutlich druckvoller. Ich finde es riecht, trotz 2021, so ein bisschen warm, schmecken tut es aber ganz und gar nicht warm. Die Struktur ist toll und das trinkt sich echt gut.

Es bleibt auch so am zweiten Abend. Die Nase bleibt nussig, mineralisch mit dem Touch Cremigkeit. Das kommt viel mehr über die kräuterige Struktur als über die Frucht. Die Säure schiebt weiter kräftig an. Dahinter hat sich aber inzwischen auch hier die Cremigkeit vom Riechen eingefunden. Das ist neu und war am ersten Abend noch nicht da. Die Mittrinkerin meckert ein bisschen, dass der Wein sie heute nicht abholt. Versteht aber selber nicht warum, weil eigentlich passt das voll ins Beuteschema. Ich sag ja, Wurzeltag. Eventuell aber auch die Reste des kurz vorher getrunkenen Sauerkrautsafts. Mir fehlt da die eigene Erfahrung, denn nur Verrückte trinken Sauerkrautsaft. Aber so ist das halt und tatsächlich, je später der Abend wird, desto mehr findet das auch gegenüber wieder Anklang. Zu recht, denn gerade die Säure und die Struktur auf der Zunge sind genial, auch wenn die Schere zwischen Mund und Nase durchaus noch auseinander geht. Es wird noch steiniger beim Riechen, karger, irgendwie jodig mit salziger Zitrone und wenn man über die Salzzitronen nachdenkt, dann meint man das Salz auch auf der Zungenspitze zu haben. Das ist ein toller Chardonnay, der sicher noch einige Jahre besser werden wird. Die Stabilität über die beiden Abende und die doch kleinen Veränderungen mit jedem Schluck, mit jedem Riechen, die lassen hoffen, dass es hier Einiges zu beobachten gibt die nächsten Jahre.

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