28.9.2025

Zwei Flaschen Wein Goutte

Wir trinken aus Franken von Wein Goutte eine Flasche What Time Is Too Late To Go To Bed und Newstalgia, beides Jahrgang 2023.

Auf einem Holztisch stehen zwei Flaschen von Wein Goutte. Die Labels sind schlicht und knallig zu gleich in intensiven Farben mit kleinem Logo. Im Hintergrund sind ein Weinglas und ein Bücherstapel zu sehen. Vor der Flasche liegen Korken und Kellnermesser.

Es ist wie es ist, ich bin massiv empfänglich für mittelgute Wortspiele wie Wein Goutte. Noch ein hippes Etikett dazu und schon bin ich praktisch Kunde. Emily Campeau und Christoph Müller machen unter diesem Namen Wein in Hüttenheim in Franken. Wer jetzt genau so verloren wie ich auf der inneren Landkarte umher irrt: Das ist ein paar Minuten südlich von Iphofen am Steigerwald irgendwo zwischen Nürnberg und Würzburg. Wie so oft bei Weinen mit solchen Labels steckt auch hier keine typische Winzerlaufbahn hinter den Flaschen. Christoph und Emily sind Quereinsteiger, eigentlich kommen beide aus der Gastro und haben sich bei der Lese im Weingut Weninger in Österreich verliebt. In sich und wenig später auch in die Idee gemeinsam Wein zu machen. Erst in Österreich für zwei Jahrgänge und schließlich in Franken wo sie inzwischen zusammen mit Linda und Erhard Haßold vom Weinhof am Nussbaum um die vier Hektar Fläche ökologisch bewirtschaften.

Wir probieren zwei Weine der Beiden: What Time Is Too Late To Go To Bed 2023, eine Cuvée aus 30% Müller-Thurgau, 30% Bacchus, 15% Muscaris und 25% Johanniter (eine andere Unterseite des Weinguts widerspricht diesen Mengen und behauptet je ein Viertel als Anteile). Wenn es nach der Mittrinkerin geht, ist die Antwort auf die Frage übrigens 21:46 Uhr, aber das ist ein anderes Thema. Muscaris und Johanniter sind pilzwiderstandsfähige Sorten (PIWI), die mit weniger Pflanzenschutz angebaut werden können und hier Anfang der 2000er gepflanzt wurden. Die Reben für den Müller stehen seit 1972 beziehungsweise 2007 in ihrem Weinberg, der Bacchus seit 1972. Alte Reben also. Jede Sorte wird für sich selbst ausgebaut, mal mit Maischestandzeit, mal im Holzfass, mal im Stahl. Zusammen kommen die Weine, wenn es zur Füllung mit einer winzigen Menge Schwefel in Richtung Flasche geht. Der Newstalgia ist ein Rotling aus Müller-Thurgau (60%) und Domina (der Rest). Die Trauben sind aus Zukauf und aus Umstellung auf Bio. Weil Zukauf muss Super Goutte auf dem Label stehen anstatt Wein Goutte. Die Irrungen und Wirrungen des deutschen Weinrechts. Rotling, der hier lokal auch als Schiller bekannt ist, aber als Landwein eh nicht Schiller heißen dürfte soweit ich weiß, entsteht, wenn man rote und weiße Trauben zusammen verarbeitet. Ich finde das immer ein bisschen lustig, weil die Idee Rotwein und Weißwein zusammen zu kippen um Rosé zu bekommen ja gar nicht so abwegig ist und man für die ganze Geschichte mit Standzeit auf den Häuten für die Farbe durchaus ins Thema eintauchen muss. Die beiden Sorten wurden getrennt an zwei verschiedenen Tagen gelesen, zusammen mazeriert und nach drei Tagen abgepresst. Die drei Tage machen aus dem Wein das, was man vermutlich als sehr hellen Rotwein einstufen würde, anstatt einem dunklen Rosé. Gärung und Ausbau finden hier im großen Holzfass statt. Alle Stöcke für die Weine wachsen auf Keuperböden und gefüllt wird durch die Bank als Landwein.

Der Weiße ist ziemlich duftig im ersten Moment. Weiße Johannisbeeren, Stachelbeere, etwas Blumiges, Holunderblüten, wenn man gerade den Sirup drüber gekippt hat, mit den grünen Noten der Stängel in der Nase. Die Säure ist super frisch. Und, die hohe Kunst im duftigen Wein, ich trinke das in großen Schlucken. Und zwar ohne, dass es mir auf die Nerven geht. Ich bin da ja etwas empfindlich mit der Duftigkeit. Da ist Struktur dahinter, etwas Frucht und man trinkt sich da so rein. Schön ist das.

Über Nacht beruhigt sich der Duft. Weniger Aromarebsorte, mehr Limonade mit Bergamotte und Wiesenkräutern. Ohne Zucker. Man hat das Gefühl, dass sich der Wein im Sessel nach hinten gelehnt hat und entspannter ist. Hat seine Zu-Bett-Geh-Zeit wohl gut getroffen. Im Mund tut sich eigentlich nichts, etwas mehr Struktur vielleicht. Man muss sich nicht weit aus dem Fenster lehnen um die übliche Reaktion vorherzusagen beim Lesen dieser vier Rebsorten. Ich nehme mich da auch gar nicht heraus. Aber das ist wirklich gut. Also wirklich. Das ist ernsthaft, hat viel Spannung und schafft dabei den Spagat zur Samstag-Nachmittags-Limo.

Newstalgia ist würzig, kräuterig mit ein paar schmutzigen Beeren dazwischen. Es riecht auch eher wie leichter Rotwein als wie Rosé. Da sind ein paar Paprika, eher rot als grün, etwas Fleischsaft und Rauch. Beim Trinken wird es sehr cremig, hat Frische und mehr Beerenfrucht als beim Riechen. Schlank, geradlinig mit viel Würze hinten auf der Zunge. Wenn man auf eine rosa Beere beißt, also dieses Zeug, das oft in Pfeffermischungen auftaucht ohne Pfeffer zu sein, dann fühlt sich das ein bisschen so an wie hier beim Trinken.

Öfter als nicht verzieht sich so ein leichter Stinker über Nacht. Hier nicht, hier wird nachgelegt. Aber gleichzeitig ist der Wein noch saftiger geworden. Die perfekte Kombination zu roter Pasta im Übrigen. Da macht der Wein die Nudel besser und die Nudel den Wein. Das ist tatsächlich irgendwie ein leichter Rotwein. Von Tschida hatten wir sowas auch schonmal im Glas, da allerdings nur aus roten Trauben. Aber die Richtung ist ähnlich. Und das, obwohl ja mehr Weiß als Rot im Fass gelandet ist. Da hat die Domina wohl die Hosen an. Oder die Peitsche in der Hand. Je nachdem. Offline würde ich jetzt auch so ein schnalzendes Geräusch machen, mich ein bisschen dafür schämen, es dann aber doch ganz witzig finden. Und ich habe die Anspielung jetzt auch einen ganzen Post lang vor mir hergeschoben, jetzt müssen wir da halt gemeinsam durch. Der Wein jedenfalls, der ist richtig gut. Erstaunlich, wie es immer wieder Franken ist, das mir den Schiller wieder schmackhaft machen will. Und es hinbekommt.

Ähnliche Beiträge

comments powered by Disqus