Zwei Weine von Jonas Dostert
Wir trinken nach ein paar Jahren mal wieder Jonas Dostert: Gros Carambolage mit mehr als einem Jahrgang in der Flasche und ein Chardonnay aus 2023.

Jonas Dostert ist für mich persönlich einer der Winzer, die mein Bild von Obermosel prägen. Wenn ich an Mosel ohne Riesling denke, dann immer auch an die Weine von Dostert. Und Mosel ohne Riesling ist gleichzeitig jedes mal etwas Außergewöhnliches, wo sich doch Schiefersteilhänge und eben Riesling so tief ins deutsche Weingedächtnis eingebrannt haben. An der Obermosel, an der deutsch-luxemburgischen Grenze stehen die Reben auf Muschelkalk. Und genau da an der Grenze, in Nittel, macht Jonas seine Weine. Als wir die das letzte Mal im Glas hatten, da war es gar nicht so einfach an die Flaschen zu kommen. Das scheint sich etwas gelegt zu haben, wie man zur Zeit an vielen anderen Weinen auch sieht. An uns zumindest liegt es nicht. Große Mengen gibt es aber immer noch nicht, noch weniger, weil die letzten Jahre nicht unbedingt einfach waren. Anstatt der Karambolage, die aus Elbling und Grauburgunder gemischt wurde, crashen jetzt alle vier Sorten im Sortiment, Spätburgunder, Chardonnay, Elbling und eben Grauburgunder, in der Gros Carambolage aus den Jahrgängen 2022 und 2023 aufeinander. Der trockene Sommer 2022 war eine echte Herausforderung. Spätburgunder und Grauburgunder hatten etwas Zeit auf der Maische, Elbling und Chardonnay wurden direkt gepresst. Das alles ist dann irgendwie Rosé und irgendwie auch nicht. Und weil wir bei der letzten Runde hier im Blog auch nur Cuvées hatten, wird es Zeit für eine reinsortige Flasche. Der Chardonnay aus einer Parzelle direkt bei Nittel wird direkt abgepresst und hat ein kleines bisschen neues Holz im Ausbau, was er in den letzten Jahren wohl nicht hatte.
Die große Karambolage riecht wild, ohne so richtig wild zu sein. Etwas vegetabil, ein paar angeditschte Beeren, Rauch, ein Klecks Umami-Misopaste und dann zieht einem die Säure beim ersten Schluck die Falten aus den Wangen. Innen und außen. Gros Carambolage passt schon als Name für diesen Wein. Aber auch da tauchen dann dahinter Beeren auf, Kirsche, frisch gepresster O-Saft, überhaupt viel Saftigkeit. Irgendwie sind wir nicht so gut darin, das richtige Wetter abzupassen. Das hier schreit nach Sommer, macht aber auch heute einfach Spaß.
Mal wieder entwickeln sich Geschmack und Geruch diametral über Nacht. Es riecht viel weniger wild, die Beeren sind nicht mehr angeditscht, die Frucht mehr da, das Umami verflogen. Klar, mit dem, was man so als Rosé bezeichnet landläufig hat der Wein weiterhin nichts zu tun, aber es wird ein bisschen braver. Zumindest in der Nase. Denn die Säure zieht noch mehr, ist jetzt so, dass sie bei mir gerade so an der Grenze zwischen lecker und Glas in Richtung Mittrinkerin schieben vorbei schrammt. Auf der “Ich behalte mein Glas”-Seite. Je nach Schluck schmeckt der Wein nach Hagebuttentee oder leicht quietschiger Kirsche. Anders als am ersten Abend, aber immernoch ziemlich großartig und ein Wein für die großen Schlucke, der sowieso nur in seltenen Ausnahmefällen einen zweiten Abend erleben dürfte. Auch wenn er mir insgesamt heute sogar noch besser gefällt als am Abend zuvor.
Der Chardonnay liefert zuerst Kontrastprogramm. Zurückhaltend, Getreide, eher Nussig, Buchweizen vielleicht, leicht reduktiv und komplett ohne Frucht. Also wirklich gar nicht. Nichtmal wenn man lange einatmet. Das Mundgefühl dagegen ist vom ersten Schluck an eine geniale Kombination aus Cremigkeit und weicher Buttermilch-Kefir-Säure, die sogar diese ganz, ganz leichte Körnigkeit auf der Zunge hat, die auch frischer Joghurt mitbringt. Das ist mega cool und während man sich daran erfreut schleicht ganz langsam etwas Zitrusfrucht hinter die Säure und bringt ein paar gelbe Birnen mit. Ich bin gespannt, was Luft hier mit dem Wein macht.
Es ist irgendwie lustig, denn es fühlt sich am zweiten Abend immer noch total nach Buttermilch-Kefir-Säure an, schmeckt aber so gar nicht mehr danach. Der Duft ist weiter fruchtbefreit, aber viel kerniger als am ersten Abend. In der Nase und tatsächlich auch beim Trinken. Der Buchweizen bleibt, die leichte Reduktion auch. Wenn jemand fragt, was man mit Strukturwein meint, dann ist das hier ein Kandidat zum Einschenken. Die Struktur, Textur und das Mundgefühl sind genial. Die Lippen fühlen sich salzig an, die Zitrone ist wieder da, etwas Holz spürt man. Das ist extrem kompromisslos in dem was es tut, es ist kühl, schlank, geradeaus und lässt einen dann mit einem Gefühl von Frozen Joghurt auf der Zunge für Minuten dasitzen und grinsen. Gut ist das. Sehr gut ist das.