Zwei Flaschen Heitlinger
Wir trinken einen Grauburgunder und einen Weißburgunder aus dem Oberöwisheimer Kirchberg vom Weingut Heitlinger aus dem Jahr 2023.

Der Weinkauf bei mir hat inzwischen einen ziemlichen Fokus auf den Blog. Die meisten Kartons sind ein wildes Sammelsurium an Flaschen, bei denen ich entweder weiß oder hoffe, dass sie gut hierher passen. Manchmal klappt das, manchmal nicht. Und manchmal ziehe ich dann Dinge aus den Kartons, bei denen ich mich kurz wundern muss, was mich denn da geritten hat den Kaufen-Knopf zu drücken. Weiß- und Grauburgunder? Warum? Wobei hier stehen ja Pinot Blanc respektive Gris auf der Flasche. Vielleicht ist es so einfacher den Wein unter die Leute zu bringen. Und es gibt im Weingut Heitlinger eine Menge Wein unter die Leute zu bringen, zumindest wenn man nach der bewirtschafteten Fläche geht. Um die 80 Hektar rund um Tiefenbach im Kraichgau im nördlichen Baden werden bewirtschaftet und man liegt damit deutlich über den durchschnittlichen 28,5 Hektar, die ein VDP Betrieb nach veröffentlichten Zahlen aus 2023 unter den Fittichen hat. Zählt man die Fläche des unter gleichem Hause angesiedelten Weingut Burg Ravensburg auch noch dazu, dann sind es sogar um die 120. Ob da nach zwei oder drei Viertele jeder Abschlag auf dem hauseigenen Golfplatz noch in Richtung des angepeilten Loches geht, man weiß es nicht. Die Rebfläche jedenfalls wird biologisch bewirtschaftet und im Rebsortenspiegel dominieren Spätburgunder, Grauburgunder und Weißburgunder mit je circa einem Viertel der Stöcke.
Die Trauben für die beiden Flaschen heute wachsen im Oberöwisheimer Kirchberg, etwas nordöstlich von Bruchsal, oder wie die Mittrinkerin sagen würde, Bruusel. Der Weinberg ist, zumindest laut Etikett, als VDP Erste Lage klassifiziert, taucht aber auf der VDP-eigenen Flächenkarte nicht als erste Lage auf. Ob noch nicht oder nicht mehr, das weiß ich nicht. Jahrgang 2024 zumindest wird immer noch als Erste Lage verkauft, wobei die Weine vielleicht nur für einen Händler gefüllt werden, da man auch auf der Weingutshomepage vergeblich auf die Suche geht. Sei’s drum. Die Weinstöcke wachsen hier auf kalkhaltigen Lössböden, auf denen schon Mönche im 12. Jahrhundert Weinbau betrieben haben. Eine lange Tradition also.
Wir starten mit dem Weißburgunder. Der riecht hell, sehr cremig mit einer leicht undefinierten, aber gelben Frucht. So richtig aufregend ist das nicht beim Riechen, ist halt aber auch Weißburgunder. Da ist das ja öfter so und der Wein kann trotzdem ganz großartig sein. Beim Trinken ist richtig Zug dahinter, viel Frische und dann Textur, die sich von Zungenspitze bis an den Gaumen hinten festkrallt. Das macht so richtig viel Spaß.
Es tut sich nicht viel über Nacht. Der Wein ist jung und unter Schraubverschluss, da gehen die Uhren der Reife langsamer. Es ist vielleicht ein bisschen cremiger geworden. Ich zumindest trinke lieber als die Nase ins Glas zu halten. Anders rum wäre besser für die Halbwertszeit einer offenen Flasche, aber man kann nicht alles haben. Die Struktur ist toll, hat was von Kernobst und Fruchtsaftsäure, mit ein bisschen mehr Weichheit an diesem zweiten Abend. Das ist so ein Wein, den kann man einfach überall auf den Tisch stellen und jeder mag das.
Der kleine Rest, der es in den dritten Abend geschafft hat gefällt mir am Besten. Der Wein ist wieder kerniger geworden, mehr Struktur, mehr Tiefe. Wenn das ein Vorgeschmack auf die nächsten Jahre sein sollte, dann kann man beruhigt noch etwas mit dem Öffnen warten.
Der Grauburgunder ist gar nicht weit weg vom Weißburgunder. Etwas dunkler in der Frucht, so weit, so erwartet, gelber, mit mehr Zitrus. Und auch beim Trinken ist der Grip ganz anders, irgendwie herber, mit Zitrusschalen und einer kleinen bitteren Note. Es wirkt klarer und gleichzeitig kantiger im Profil. Ich mag den mehr heute abend.
Tag zwei wird noch dunkler. Mehr Orange als Zitrone inzwischen, etwas Kumquat und insgesamt noch mehr Tiefe in der Frucht. Beim Trinken noch viel mehr als schon beim Riechen. Das erinnert fast ein bisschen an Aperol auf der Zunge, Bitterorange, herb. Da ist mehr Spannung als im Weißburgunder, mehr zu Entdecken, einfach mehr Tiefe. Jeder Schluck ist ein bisschen anders als der Schluck davor und so kann man sich Schluck für Schluck durchs Glas trinken ohne dass Langeweile aufkommt. Auch an Abend zwei ist der Grauburgunder die Nummer eins. Den dritten Abend muss er deshalb leider aussetzen.
Ich werde auch in Zukunft die Stirn runzeln, wenn ich Grau- und Weißburgunder aus Kartons ziehe. Ob das so eine gute Idee war? Wenn sie dann aber so sind wie diese Beiden. Dann ja.