Zwei Flaschen Julia Bertram
Wir trinken zwei Flaschen von Julia Bertram von der Ahr: Einen Frühburgunder 2017 aus dem Neuenahrer Sonnenberg und einen Spätburgunder 2018 aus dem Ahrweiler Forstberg.

Zugegeben, es fühlt sich nicht fair der Ahr gegenüber an, dass die letzten Flaschen aus dem Gebiet vom exakt selben Weingut waren und der Beitrag mit den Worten startet, dass hier Nachholbedarf in Sachen Weinregion besteht. Das hat dann wohl nicht so gut funktioniert. Ich verspreche gleich zu Anfang: So wird das nicht bleiben und schon bald werden auch andere Ahr-Weine als die von Julia Bertram hier auftauchen. Heute aber eben noch nicht. Denn heute trinken wir nochmal Julia Bertram, die inzwischen nicht mehr Bertram, sondern Baltes heißt, aber immer noch an der Ahr im Weingut Bertram-Baltes vor allem Spätburgunder an- und ausbaut.
Ich hatte damals einen Karton quer durch die Lagen bestellt und über die Jahre immer mal wieder eine Flasche aufgezogen. Und obwohl mir die Weine jedes mal wirklich gefallen haben, hat mich das Gefühl nie losgelassen, dass ich zu früh dran sein könnte. Teil des Flaschenöffnens war auch immer die innere Vorbereitung auf die einen gleich anspringende Reduktion. Darauf folgen dann immer zwei Reflexe. Erstens, viel Luft. Und Zweitens, der Gedanke, dass das sicher weg reift. Nur ob das auch tatsächlich der Fall ist, war bisher mehr Theorie als Praxis. Die Frage allgemein ist auch ungemein spannend, denn die Bertram-Baltes dieser Welt sind nicht die Einzigen, bei denen es einem aus dem Glas direkt entgegen kommt. Ja, Huber, ich schaue da auch in Richtung Baden. Die letzten beiden Flaschen aus dem Karton jedenfalls helfen hoffentlich im Lernprozess. Wir trinken aber nicht nur Spätburgunder heute, sondern starten mit einem Frühburgunder aus dem Neuenahrer Sonnenberg aus dem Jahr 2017. Außerdem gibt es eine Flasche Spätburgunder 2018 aus dem Ahrweiler Forstberg. Das, was nach zwei unterschiedlichen Orten klingt, liegt in der Realität ziemlich nah beieinander. Die Stadt heißt nämlich Bad Neuenahr-Ahrweiler und so liegen beider Weinberge, mit der A573 dazwischen, nördlich der Stadt mit Blick gen Süden auf die Ahr.
Los geht es mit dem Frühburgunder und, tatsächlich, man wird nicht angesprungen. Ja, da ist immer noch ein leichter Reduktionsstinker im Glas, aber irgendwie wäre es ganz ohne auch furchtbar langweilig und ich mag das ja, aber das Gleichgewicht ist deutlich ausgeprägter. Da ist eine wunderschöne, rote Frucht, helle Beeren, Kirschen und etwas Würze. Es trinkt sich super klar, dann kommt Säure und dann packt die Struktur die Zunge hinten. Es kratzt nicht, aber da ist noch ordentlich Gerbstoff im Wein. Und wenn man den Frühburgunder dann so durch den Mundraum spült, dann verschwindet das bisschen Stinker komplett beim Riechen. Das ist jetzt eine wunderschöne Kombination aus fast süßer Frucht und kräuteriger, leicht ätherischer Würze mit etwas Süßholz dabei. Schön ist das so. Sehr schön.
Am zweiten Abend wird es noch weicher in der Nase. Die Ätherik legt zu, kommt einem als erstes entgegen, bevor dann Frucht folgt, die etwas dunkler wirkt als am ersten Abend. Duftig, trockenes Holz und Kräuter. Der Tanningrip ist abgeschmolzen, es erinnert dafür an Kirschsaft, mit viel Frische und so einem bisschen Easy-Drinking. Nicht das, was ich auf der Bingo-Karte hatte bei diesem Wein. Ich zögere keine Sekunde, dem Wein den “Bester Frühburgunder, den ich je hatte”-Sticker auf die Flasche zu kleben. Allerdings sind es auch deutlich weniger als eine Handvoll reinsortige Frühburgunder, die ich bisher so getrunken habe. Aber trotzdem, das ist wirklich stark und jeder folgende Frühburgunder wird sich extrem strecken müssen um da überhaupt in die Nähe zu kommen.
Der Spätburgunder aus dem Forstberg ist viel dunkler. Da ist ein bisschen Blut, die Frucht ist eher dunkel und es riecht schon weicher und irgendwie voluminöser. Beim Trinken hat er die selbe Klarheit, aber auch da ist die Frucht mehr dunkle Kirsche als helle Beere. Und auch das Tannin ist im Vergleich viel weicher, eigentlich spürt man fast gar keinen Grip. Was dann erstaunt, ist, dass der Wein sich trotzdem dichter anfühlt, länger liegen bleibt und nicht weniger Kraft hat. Da ist ein leicht wilder Dreck in der Nase, der dem Wein unheimlich viel Spannung gibt. Vielleicht wirkt das noch deutlicher, wenn die Weine nebeneinander stehen. Trinken tut sich der Spätburgunder genauso gut wie der Frühburgunder und wenn das nicht ewig auf der Zunge bleiben würde, man hätte die Flasche schnell leer. Das ist nicht besser als der Frühburgunder, nicht schlechter, das ist einfach anders.
Die Würze übernimmt das Zepter komplett am zweiten Abend. Das Blut ist weniger geworden, es hat jetzt was von Schmortopf mit trockenen, mediterranen Kräutern und Sandelholz. Und dann kommt die Säure, die unverändert in die Zunge greift. Da wo der Frühburgunder am zweiten Abend in Richtung Wohlfühlwein abdriftet, werden einem hier weiter die Falten aus der Stirn gezogen. Viele sind da sowieso nicht, denn grübeln, ob man wohl noch hätte warten sollen, das muss man nicht, wenn man die Weine jetzt vor sich auf dem Tisch stehen hat. Spaß machen beide Flaschen und wie schon am ersten Abend, ich will mich nicht entscheiden müssen zwischen ihnen. Die Entscheidung aber den Weinen ein paar Jahre zu geben, die war Gold wert.