Zwei Flaschen Köhler-Ruprecht
Wir trinken zwei trockene Spätlesen aus dem Kallstadter Saumagen von Köhler-Ruprecht aus den Jahren 2016 und 2017.

So ein bisschen fühlt sich das jetzt an wie die Fortsetzung zu den drei Flaschen Saumagen von vor ein paar Jahren. Der Vollständigkeit halber. Aber irgendwie ist es auch Befriedigung der treibenden Neugier, wie gut sich die Flaschen gehalten haben. Denn eine Flasche 15er Saumagen Spätlese, die wir zu einem der munteren Weinabenden in Karlsruhe mitgebracht haben, hat den Württemberg-Baden-Grenzübergang nur leidlich gut überstanden. Ich behaupte ja, dass es am Grenzübergang liegt, in Wahrheit wird aber der Korken einfach mehr Sauerstoff durchgelassen haben, als er hätte sollen. Und wenn das dann einmal passiert, dann schleppe ich das im Hinterkopf so lange mit mir herum, bis ich mich überzeugen konnte, dass es hoffentlich nur ein Ausreiser nach unten war. Und für genau diese Überzeugungsarbeit öffnen wir dieses mal zwei weitere Flachen Kallstadter Saumagen Spätlese von Köhler-Ruprecht. Jahrgänge 2016 und 2017. Der Kallstadter Saumagen, westlich von Kallstadt gelegen, ist wohl mit keinem anderen Weingut so sehr verbunden wie mit Köhler-Ruprecht. Zumindest in meinem Kopf ist das fast synonym verwendbar, auch wenn natürlich andere Winzer Weine aus dem Saumagen keltern, der mit seinen, je nach Quelle, um die 40 Hektar auch genug Fläche dafür liefert. Köhler-Ruprecht bewirtschaftet etwas über 12 Hektar Reben, die aber nicht alle im Saumagen liegen. Trockenen Riesling gibt es im Weingut quer durch die Prädikate und die Spätlese liegt dabei ziemlich genau in der Mitte. Zumindest, wenn man ignoriert, dass es einige Varianten auch noch mit Extra-R gibt.
2016 ist ziemlich schüchtern am Anfang. Gelbe Frucht, ein Touch Reife, die ich vielleicht nur deshalb rieche, weil ich erwarte, dass da doch etwas Reife sein müsste inzwischen. Ein paar florale Noten sind dabei und etwas Stein. Wie so oft bereitet einen das nicht wirklich darauf vor, was dann kommt. Denn der erste Schluck zieht einem die Schuhe aus. Da ist mal so richtig Zug drin. Das zieht die Zunge hoch, die Backen nach innen und die Spucke gleich mit. Ultra saftig ist das, mit super viel Frische, die erst ganz hinten auf der Zunge von etwas Reife abgelöst wird. Ich kann gar nicht so genau in Worte fassen, warum das reif schmeckt, aber ganz junger Riesling fühlt sich nach dem Runterschlucken nie so an wie das hier. Die Struktur, die Textur in dieser Form, die kommt erst nach Zeit auf der Flasche. Lange hat man das aber nicht, denn der nächste Schluck fegt da dann wieder ordentlich darüber. Das ist unglaublich gut. Da ist Zitrusfrucht, ein paar weiße Zitrushäutchen und es wird mit jedem Schluck noch saftiger.
Nachdem der Wein schon am ersten Abend so gepfiffen hat, überrascht es mich nicht wirklich, wie unverändert er in den Zweiten geht. Die Nase macht genau da weiter, wo sie aufgehört hat. Leise, typisch Riesling, aber eben zurückhaltend. Die Cremigkeit, die man jetzt beim Trinken hat, die war da noch nicht am ersten Abend. Mehr Buttermilch als Butter, und strahlend hellgelb statt orange, aber eben etwas reifer als am ersten Tag. Der Saftigkeit tut das keinen Abbruch. Yuzu, Limette, Ananas. Das ist so, so gut gerade und obwohl ich beim Jahrgang 2016 sowieso verwöhnt bin, überrascht es mich doch, wie sehr ich das mag. Das dürfte einer der besten angereiften Rieslinge bisher hier auf dem Tisch sein. Dabei will ich angereift eigentlich gar nicht sagen. Nicht so sehr wegen denen, die laut schreien, dass 2016 ja das Attribut angereift so gar nicht verdient hätte, sondern weil es einfach noch so überhaupt nicht angereift schmeckt. Denn ich bleibe dabei: Für das Gros der Weintrinker auf diesem Planeten ist neun Jahre alter Weißwein nicht angereift sondern alt. Das ist ja fast schon eine Dekade und ich kenne genug Leute, die das mit der linken Arschbacke nicht mehr anschauen würde. Aufklärungsarbeit in solchen Fällen leistet man nicht durch Belehrung. Aber der Wein hier, der könnte da umstimmen.
2017 hat da keinen leichten Stand. Ich kann mich tatsächlich auch an keine einzige Mini-Vertikale erinnern, in der 2016 den Rest nicht an die Wand gespielt hätte. Der Wein ist ebenfalls eher leise beim Riechen. Aber ganz, ganz anders. Die Frucht ist reifer, fast orange, irgendwo zwischen Multivitaminsaft und exotischem Fruchtkorb. Da ist kein Stein, dafür Aprikose und etwas Butter. Das fühlt sich ein paar Jahre älter an, obwohl es doch eigentlich eins weniger auf dem Buckel hat. Und auch beim Trinken ist das so. Die Säure ist weicher, die Frucht mehr Orange und es fehlt an Zug. Zumindest eben im Vergleich. Denn neben dem, was 16 da abfeuert, wirkt 17 einfach müde. Das merkt man dann so richtig, wenn man nach einer halben Stunde Pause erst 17 probiert. Das ist gut, wirklich gut, es leidet einfach darunter wie toll der andere Wein ist.
Denn auch 2017 schafft es stabil in Abend Nummer Zwei. Ich mag ihn sogar ein bisschen mehr an diesem zweiten Abend. Die Frucht ist noch exotischer geworden, Mango, mehr Ananas und inzwischen auch mehr Frische. So richtig behaupten kann er sich immer noch nicht im direkten Vergleich, aber er ist näher heran gerückt. Da ist Blutorange, Grapefruit und jetzt auch viel Frische beim Trinken. Das wird, wenn es am zweiten Abend nochmal so einen Schritt macht, auch noch nicht annähernd am Ende der Reifefahnenstange angekommen sein. Macht ihn halt alleine auf.
Ich jedenfalls bin wieder versöhnt und beruhigt. Der 15er fast-Sherry war ein Ausreiser nach unten. Pech eben. Naturprodukt. Man steckt halt, anders als die Baumrinde, nicht drin.