30.11.2025

Zwei Flaschen Sermann

Wir trinken vom Weingut Sermann zwei Spätburgunder von der Ahr: Eine Flasche Marienthaler Trotzenberg 2019 und eine Flasche Altenahrer Im Eck aus dem selben Jahr.

Zwei Flaschen Wein vom Weingut Sermann mit blauem Etikett stehen auf einem Holztisch. Dahinter stehen ein Weinglas und ein Stapel Bücher. Vor den Flaschen liegen die beiden Korken und ein Kellnermesser.

Es war angekündigt und wir ziehen das jetzt durch. Wir trinken nochmal Weine von der Ahr. Da die Ahr unbestrittenes Rotweinland ist, fällt die Wahl ein weiteres Mal auf Spätburgunder. Etwa 80 Prozent der etwas über 500 Hektar der Region ist mit roten Rebsorten bepflanzt. Man ist mit dieser Gesamtfläche laut Destatis zwar nicht Schlusslicht, aber der Abstand zwischen den kleinsten vier Anbaugebieten, in nach Fläche aufsteigender Reihenfolge Hessische Bergstraße, Mittelrhein, Sachsen und eben der Ahr, der ist kein besonders Großer. Allerdings dürfte es sich um das Gebiet mit dem größten Anteil Rotwein in Deutschland handeln. Knapp dahinter dann Württemberg.

Rein geografisch wandern wir dieses Mal noch ein Stückchen weiter flussaufwärts gen Westen nach Altenahr und damit an den westlichen Zipfel des Anbaugebiets. Lukas Sermann macht hier an den steilen Hängen auf ungefähr 10 Hektar Wein. Die Familie kann auf eine Weinbautradition bis ins 18. Jahrhundert zurückblicken, tauschte 1936 jedoch die Steilhänge der Mosel gegen die der Ahr. 2019 übernahm dann Lukas die Verantwortung für die Weine und hat sie immer noch inne. Auch nach der Flut, die Altenahr und das restliche Ahrtal 2021 zerstörte. Die Trauben für die beiden Flaschen heute sind gewachsen, bevor das Wasser kam. Die eine Flasche ist aus dem Trotzenberg in Marienthal, etwas weiter flussabwärts. Die andere Flasche aus der Lage Eck bei Altenahr selbst. Das Eck hat es sogar zum eigenen Eintrag in der deutschen Wikipedia geschafft. Ordentlich spektakulär wie die Terassen da im steilen Hang hängen. Die Reben wachsen hier auf Grauwacke mit Schieferverwitterung, Löss und Lehm im Untergrund. Beide Weine werden im Holzfass ausgebaut, zu Anteil Neuholz und gebrauchtem Holz habe ich nichts gefunden.

Der Trotzenberg, bei dem ich übrigens immer kurz Trotzdemberg tippen will, warum auch immer, startet mit erstaunlich viel Würze. Der hat dieses Gefühl, dass man schon riechen kann, wie der Wein sich gleich anfühlen wird auf der Zunge. Obwohl ich da vorsichtig geworden bin, was Vorhersagen angeht, zu oft lag ich komplett daneben. Das ist dunkel, beerig, kräuterig, mit altem Holz vom Dachboden, etwas Erde und Sauerkirschen. Hier passt, was die Nase ankündigt, denn genau so wie er riecht, so schmeckt er auch. Viel Würze vorneweg, dann Säure und dann Beeren mit einer ordentlichen Portion Grip, bei der sich Frische und Tannin die Waage halten. Ein Touch Eukalyptus zieht noch vorbei, wenn man riecht nachdem man getrunken hat.

Es wird noch dunkler über Nacht, die Würze bleibt, aber nur in der Nase. Beim Trinken ist das total weich geworden und streichelt eher wie Watte die Zunge entlang. Irgendwie lustig, wie jetzt die Mund-Nasen-Schere auseinander klafft. Der Pinot schmeckt irgendwie fruchtiger, frischer und jünger heute. Ich mag die Säurestruktur total, die es dann auch wieder schafft alles einzufangen und doch zuzupacken auf der Zunge. Ich kann mir vorstellen, dass wir hier gerade einen ziemlich guten Zeitpunkt erwischt haben diese Flasche aufzuziehen.

Der Wein aus dem Eck ist da schon deutlich spröder im ersten Moment. Das ist irgendwie struppig, dörrig mit Zwetschgen, dunklem Trockenobst und getrockneten Kräutern. Wenn man wirklich lange einatment, dann wir es schnell immer frischer und süßer. So ein bisschen erinnert das an roten Saft aus dem Reformhaus, mir liegt Rotkäppchen auf der Zunge, das ist ja aber Blubberplörre, und die Mittrinkerin sagt dann Rotbäckchen. Naja, fast richtig gelegen. Ein bisschen Orange ist auch dabei und frisches Holz. Das was so spröde gestartet ist, wirkt inzwischen beim Riechen deutlich saftiger als sein Gegenüber aus dem Trotzenberg. Nur beim Riechen allerdings, denn beim Trinken sind die Weine vom Gefühl, das sie auslösen gar nicht so weit auseinander. Ich finde den Im Eck etwas charmanter, frischer, mit Amaro und Cocktailbitters, mit Länge und Intensität und viel Tiefe. Ich mag den Trotzenberg, den Im Eck mag ich noch ein bisschen mehr.

Und er schafft es hier am zweiten Abend sogar noch eine Schippe drauf zu packen. Da ist einfach mehr jetzt. Mehr Frucht, mehr Tiefe, mehr Komplexität. Das erinnert mich gerade an Kirsch-Plundergebäck und ich mag Kirsch-Plundergebäck sehr. Etwas Vanille, Cremigkeit, der Amaro ist da immernoch, dazu Himbeere, Wacholder und andere Schmortopf-Gewürze. Und der hier schmeckt noch immer wie er riecht. Abgeschliffenes Tannin, Säure, Länge. Auch hier denke ich, dass wir einen echt guten Zeitpunkt gerade erwischt haben, würde dem Wein aber noch ein paar Jahre mehr zugestehen als dem Trotzenberg. Und irgendwie ist das auch immer wieder beruhigend, wenn der teurere Wein dann auch der Wein ist, der mir besser gefällt. Kann auch gut sein, dass ich das vor 3 Jahren oder so anders herum sortiert hätte, aber heute ist das Eck eine Nasenlänge voraus. Tolle Spätburgunder sind beide.

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