Keller - Feuervogel Sylvaner 2020
Wir trinken vom Weingut Keller in Rheinhessen eine Flasche Silvaner Feuervogel aus dem Jahr 2020.

Spätestens wenn man in Rheinhessen bei einem Winzer im Weingut oder irgendwo auf einer Veranstaltung Silvaner probiert und dabei ins Gespräch kommt, wird man hören, dass Rheinhessen ja das größte Silvaneranbaugebiet Deutschlands ist. Und weil außerhalb von Deutschland kein anderes Gebiet in besonderem Maße Silvaner anbaut, nimmt man den Titel Weltmeister in Sachen Silvanerfläche nebenher einfach noch mit. Und das, obwohl die relative Rebfläche des angebauten Silvaners von über 60% vor 100 Jahren eingebrochen ist auf deutlich unter einem Zehntel. Absolut reden wir aber natürlich immer noch von ziemlich vielen Reben. Wir haben schon bei Bischel darüber gesprochen. Einer der Vertreter, die man immer mal wieder irgendwo sieht, ist sicherlich der Feuervogel von Klaus Peter Keller. In diesem Fall heute der 2020er Jahrgang. Ich verfolge das Weingutsportfolio ob der Schwierigkeit an Weine überhaupt ranzukommen und auch der Preise nicht besonders detailliert, meine aber, dass es inzwischen drei Silvaner gibt mit einer Sonderabfüllung als Reserve oder Ortswein hier und da zusätzlich: Die Basis, darüber den Feuervogel und inzwischen noch den Am Austernfels oben drüber aus einer Parzelle mit, wie erwartet, vielen Austern im Boden. Trotzdem ist das Weingut Keller natürlich hauptsächlich für seine Rieslinge bekannt, danach dann vermutlich für den Pinot und dann, ja dann kommt vielleicht der Silvaner. Oder viel mehr Sylvaner, das steht so nämlich auf der Flasche.
Um eine Frage, die sowieso kommen wird, gleich aus dem Weg zu räumen: Gekostet hat diese Flasche 32 Euro, der Ab-Hof-Preis damals. Vermutlich ist das inzwischen mehr, aber auch vor ein paar Jahren war man damit schon in der obersten Preisregion dessen unterwegs, was man in Rheinhessen für Silvaner bezahlen muss. Die Reben für den Feuervogel wachsen auf Kalksteinfelsen und Muschelkalkböden. Der Wein steht vor dem Pressen für eine kurze Zeit auf der Maische inklusive Stil und Stängel. Anschließend wird er im großen Holzfass ausgebaut.
Zum Start ist da nichts als Struktur und Säure. Das ist tatsächlich anstrengend zu trinken und so geben wir dem Wein ein paar Stunden um die Türe etwas aufzusperren. Das hilft. Jetzt würde ich das in die Kategorie “Silvanertypisch” einsortieren. Da ist Heu, etwas gelbe Frucht, eher dezent, nicht aufdringlich, etwas Feuerstein und sowas vegetabil Pflanzliches, das Silvaner eben oft hat. Nicht spektakulär, aber trotzdem so, dass man die ganze Zeit doch nochmal riechen will, wie es denn jetzt riecht. Das schreit einen nicht an und da ist nichts, wo man selber im ersten Moment laut aufschreien würde. Aber man trinkt einen kleinen Schluck, riecht, riecht nochmal, wieder ein Schluck. Das hat Tiefe, Komplexität und ist dann irgendwie doch faszinierend. Vielleicht also doch ein Spektakel. Ein sehr leises eben. Denn das, was der Wein im Unterbewusstsein macht, was auf der Zunge verbleibt, wie man die Zunge ziehen und rollen will nach jedem Schluck. Das ist schon stark. Und gleichzeitig auch ein bisschen arg intellektuell.
Tag zwei ist offener. Ein Stück zumindest. Da ist mehr Frucht, die gleichzeitig noch gelber wirkt. Reifer. Den Ton geben weiterhin Würze und Stein an. Die Säure ist fruchtiger geworden, saftiger und irgendwie weicher. Man ist kurz verleitet cremiger zu sagen, aber cremig ist das eigentlich nicht. Cremiger als gestern halt und auch insgesamt mehr so wie eine Key-Lime-Tarte und nicht so sehr wie Pudding. Klar ist das, Limette, Zitrone, dahinter beginnt man zu merken, dass der Wein schon etwas auf der Flasche liegt. Wie die Würze sich anfühlt, das, was liegen bleibt, das passiert so erst nach ein paar Jahren. Und mit dem Wein auf der Zunge wird auch die Nase fruchtiger, mehr Kernobst, mürbes Kernobst, mehr Zitrus. Das ist immer noch stark. Heute ist das aber gleichzeitig nicht mehr so intellektuell, sondern irgendwie halt auch einfach lecker.